Bergrichters Erdenwallen
kannte den Warnruf und wußte, daß eingeschritten werden müsse. „Im Namen des Gesetzes, Ihr seid verhaftet!“ rief Ehrenstraßer und bekannte sich als den Bezirksrichter aus der Amtsstadt.
Der Senne zuckte wohl etwas zusammen, blieb aber wie angewurzelt stehen, sein Blick galt keineswegs dem Beamten, sondern dem Schauspiel am Steig unten. Die Kommission war im Anstieg und die gefesselte Ursula bemühte sich, den Käuzchenruf zu wiederholen, während der Wachtmeister bestrebt war, der Sennerin den Mund zuzuhalten. Mit einem Male kam Leben in den kräftigen Burschen, in mächtigen Sätzen sprang er den Steig hinunter. Ehrenstraßer schrie gellend einen Warnungsruf nach, den der Wachtmeister sogleich hörte und beachtete.
Bevor noch der Senne den Angriff vollführen konnte, stand der Gendarm mit dem Gewehr schon schußfertig im Anschlag. Ursula mag jetzt zetern, so viel sie kann und will. Der Senne prallte zurück und ergab sich; willig ließ er sich die Kette um die Handgelenke legen.
Man begab sich nun völlig hinauf zur Kreuzalpe, in deren Hütte Ehrenstraßer die Hausdurchsuchung mit seinem Aktuar vornahm, während der Wachtmeister das gefesselte Paar bewachte.
So viel aber der erfahrene Richter nachforschen mochte, er fand nichts, absolut nichts vom Handwerkszeug des Falschmünzers. Schon wollte er den Aktuar beauftragen, den nahe der Hütte angelegten Düngerhaufen mit einer Mistgabel zu durchstochern, da fiel Ehrenstraßer an der Hängeuhr im Stübchen auf, daß die Uhrgewichte seltsamerweise in Gradelzeug eingenäht sind. Derlei hat der Richter noch niemals gesehen und sofort schnitt er den grauen Stoff mit dem Federmesser durch. Welche Überraschung! Statt der Gewichte hatte der schlaue Falschmünzer nagelneue Silberfalsifikate, lauter falsche Kronenstücke, eingenäht und dieselben als Uhrgewicht benutzt, die er vor Entdeckung wohl geschützt glauben mochte. Nun kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß sich auf dieser Alpe auch der Prägestock und sonstige Utensilien vorfinden müssen. Aber wo?
Ehrenstraßer hielt inne im mühsamen Suchen und überdachte die Fälle aus der Praxis. Am häufigsten pflegen Leute zum Vergraben den Keller zu benutzen und die Alpe hat ein Kellerchen zur Aufbewahrung von Milch und Käse. „Aktuar, bringen Sie mir rasch einen Kübel Wasser!“ rief Ehrenstraßer.
Nach wenigen Augenblicken war das Gewünschte zur Stelle und der Richter begab sich damit in das Kellerchen, auf dessen Boden er reichlich und plötzlich die Wassermenge ausgoß und die Wirkung dieses Gusses auf das Erdreich scharf beobachtete. Richtig ist eine Stelle vorhanden, an welcher das Wasser sehr rasch einsank und zugleich Luftblasen ausfliegen.
Das beweist, daß hier die Erde lockerer, vor kurzem ausgegraben worden ist.
Nun ließ sich Ehrenstraßer eine Schaufel reichen, mit welcher er zu graben begann. Eine Viertelstunde später waren die hier vergrabenen Utensilien gefunden, das Geheimnis ist entdeckt.
Und beim Ansichtigwerden dieser Gegenstände und Vorzeigen der an der Uhr gefundenen Falsifikate legte der Senne ein volles Geständnis ab, das sofort zu Protokoll genommen wurde. Das Fälscherpaar transportiert der Wachtmeister hübsch zu Fuß nach der Amtsstadt, während der Aktuar im Auftrage seines Chefs den Gemeindevorsteher von der zwangsweisen Entfernung des Paares von den beiden Almen verständigte.
Es war nun Sache der betreffenden Alpbesitzer, schleunigen Ersatz zur Wartung des Almviehes &c. hinaufzusenden.
Mit voller Befriedigung über die erfüllte Dienstpflicht konnte Ehrenstraßer nach Hause fahren.
XVII.
Es kam fast nie vor, daß Herr Ehrenstraßer in seinem Hauswesen sich in die Küche verirrte, meist verbrachte er die wenige freie Zeit in seiner Studierstube oder im Wohnzimmer bei Gattin und Kindern, aus welch letzterem ihn freilich der Lärm seiner Mädels bald wieder verjagte. Eines Abends kehrte der Richter aus der Kanzlei nach Hause zurück, und im Korridor seiner Wohnung vernahm er ein lebhaftes Gespräch, das ihn veranlaßte, in die Küche zu treten. Frau Bianca dankte in ihrer südländischen Lebhaftigkeit eben einer Bäuerin für überbrachte Butter und einen mächtigen Topf Honig, worauf die Gebirglerin bat, es möge die gnädige Frau Richterin ein gutes Wort beim Bezirksrichter einlegen, auf daß er die Sache nicht so scharf nehme mit ihrem Sohne.
Ehrenstraßer stieg alles Blut zu Kopf beim Anhören dieser Worte, hastig trat er vollends ein und in flammender
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