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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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an ihn reiht sich logisch die Situation im einsamen Berge, im Verankerungsgebäude, doch reißt der Faden im Moment, da der Richter sich fragt, weshalb der Mann die Dame allein die Fahrt antreten ließ. Ist das Zufall oder Absicht gewesen?
    Hierüber muß Klarheit geschaffen werden, wenn nicht augenblicklich, so später.
    Schon wollte Ehrenstraßer den Rückmarsch antreten, da erschien Hundertpfund arg verstaubt an einem der Brennöfen. Die Bitte um eine kurze Begleitung konnte der Fabrikleiter nicht gut abschlagen und so ging Hundertpfund an der Seite des Richters ein Stück Weges mit.
    „Wenn nur der unglückselige Sturz keine anderen Folgen als Knochenbrüche haben wird!“ meinte im Gespräch Ehrenstraßer.
    „Gott gebe es! Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Vorwürfe mich quälen!“
    „Interessierte sich die Doktorin denn so sehr für die Luftbahn?“
    „Gewiß! Schon seit längerer Zeit! Indes war es bisher nicht zu einem Ausflug auf den Stadtberg gekommen. Und gerade die heutige erste Besichtigung mußte ein solches Ende finden!“
    „Sie haben wohl die Doktorin am Fuße des Berges erwartet?“
    „Ich bitte, Herr Bezirksrichter, wollen Sie mich verhören?“
    „Geben Sie rückhaltslos Antwort auf meine Fragen, so wird der Fall am ehesten zum Abschluß gebracht werden können!“
    „Sie glauben doch nicht an eine Absicht meinerseits?“
    „Glauben heißt hier nichts wissen! Ich kann nicht wissen, wie sich die Sache abgespielt hat, weil ich ja nicht dabei war. Es ischt aber meine Pflicht Klarheit zu schaffen.“
    „Großer Gott! Sie halten mich doch nicht für einen Verbrecher!“
    „Wo trafen Sie die Doktorin?“
    „Am Fuße des Stadtberges!“
    „Zufällig?“
    Hundertpfund zögerte mit der Antwort.
    „Ich halte eine zufällige Begegnung nicht wahrscheinlich!“ bemerke der Richter. „Nehmen wir also Verabredung an. Eine Verabredung setzt eine Korrespondenz oder ein früheres Rendezvous voraus. Sie verkehrten häufig im Doktorhause?“
    „Ja, früher! Dann erfolgte eine Unterbrechung.“
    Ehrenstraßer erinnerte sich jetzt an jenes seltsame Verhalten der Doktorin und ihren jähen Abgang aus der Gesellschaft bei Ratschiller, und forschte weiter: „Weshalb wurde der Verkehr abgebrochen?“
    „Bitte, Herr Bezirksrichter, erlassen Sie mir die Antwort aus Gründen privater Natur!“
    „Gut! Wann nahmen Sie den Verkehr wieder auf?“
    „Zur Zeit der Ratschiller-Katastrophe infolge einer zufälligen Begegnung.“
    „Haben Sie nicht die Empfindung, daß der Aufenthalt einer verheirateten Dame oben auf dem Stadtberge, im Gebäude in Gegenwart eines ledigen Herrn etwas sonderbar ischt?“
    Hundertpfund bat jetzt, aus dienstlichen Gründen in die Fabrik zurückkehren zu dürfen und diesem Ansuchen willfahrte Ehrenstraßer, der nun auf dem Wege zur Stadt sich ganz in diesen Fall vertiefen konnte.
    Der Marsch hatte Hunger und Durst erzeugt, weshalb der Richter im „Ochsen“ zusprach und sich eine „Jause“ gönnte. In gleicher Absicht fand sich kurz darauf der Bezirkskommissär im Gasthause ein, wiewohl dieser Beamte auf den Richter wegen des damaligen Ausdruckes „Rabulistik“ eine Art Privathäßle hegte. Der Kommissar gönnte sich daher ein Spottwort, indem er auf die Anwesenheit der Ehrenstraßerschen Schwiegermutter anspielte und beifügte, daß die welsche Gnädige wohl eine Leidenschaft für Spazierfahrten hege.
    „Wieso?“ fragte Ehrenstraßer.
    „Na, vor einer Stunde ist ja Ihr ganzer Harem, Fräulein Emmy ausgenommen, zu Wagen fort!“
    „Ja, ja, ich weiß!“ log Ehrenstraßer, den ein unbehagliches Gefühl beschlich, dann trank er das Glas aus, zahlte und entfernte sich unter höflichem Gruß.
    Jetzt langsam nach Hause zu gehen, mußte sich der Richter zwingen, er weiß, daß ihn die neugierigen Augen jenes Beamten verfolgen und will jeden Anschein vermeiden, als ob jene Anspielung auf die Spazierfahrt ihm flinke Beine machen würde.
    Endlich aber im Hause angekommen, macht Ehrenstraßer die Stufen doppelt und stürmte hinauf. Welche Bescheerung!
    Emmy steht in höchster Bestürzung vor geleerten Kasten, es ist kein Zweifel möglich, daß die Stiefmutter Bianca mit den Kindern und mit Sack und Pack das Haus verlassen hat.
    „Vater! Alle sind fort! Es ischt schrecklich!“
    Ehrenstraßer fand im ersten Augenblick kein Wort, sein Atem ging hastig, die seelische Erschütterung ist zu groß. Sein Weib hat ihn verlassen ohne ein Abschiedswort. Emmy umschlang mit den Armen den armen

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