Bergrichters Erdenwallen
Stieftochter zum schmerzlichen Aufschreien, indem Bianca behauptete, das Heiratsprojekt habe den alten Ratschiller in den Tod getrieben.
„Kein Wort weiter!“ gebot Ehrenstraßer, dem die Adern schwollen. Der Anblick des Gatten mochte Bianca doch einschüchtern, sie schwieg und rauschte hinaus.
Weinend warf sich Emmy an des Vaters Brust und auch Ehrenstraßer zerdrückte eine Thräne im Auge. Langsam begann er dann zu sprechen, der Tochter zu schildern, was er gelitten während der Untersuchung im Falle Ratschiller, wie gräßlich es war, der Familie durch Aufdeckung des Selbstmordes solch' bitteren Schmerz und pekuniären Schaden bereiten zu müssen, und auch dem eigenen Kinde.
„Sprich nicht von mir, teurer Vater! Ich habe es überwunden!“
„Die Zeit wird den Schmerz lindern, vielleicht fügt der allmächtige Gott doch noch euch zusammen! Ich will gerne bei Gelegenheit sehen, wie sich bei Franz die Verhältnisse entwickelt haben!“
Ein inniger Kuß drückte den Dank und wohl auch eine stille Hoffnung aus. Emmy verließ den herzensguten Vater.
Im Richterhause verblieb eine Schwüle zwischen den Ehegatten, die einen schweren Sturm anzukündigen schien. Bianca brachte es fertig, zu schweigen, sich kühl zu verhalten, und die Mädels empfanden die Spannung so sehr, daß sie fast stumm umherschlichen und jeglichen Lärm unterließen. Dagegen schrieb die Richterin viel und trug ihre Briefe der Sicherheit halber selbst zur Post.
Wohl wurden die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen, doch das Verweilen am Familientische war peinlich, man schwieg sich aus. Die fatale Situation wurde nicht besser durch eine erhebliche Qualitätsverminderung der Tischgerichte, die von der boshaft gewordenen Gebieterin absichtlich herbeigeführt ward.
Eine Woche ertrug Ehrenstraßer diese Vernachlässigung, eines Tages aber gestattete er sich eine diesbezügliche Bemerkung, auf welche sofort die schnippische Antwort erfolgte, daß um diese Jahreszeit in solchem Nest eben nichts Besseres zu haben sei. Genüge diese Kost dem unantastbaren Herrn Richter nicht, so möge der gnädige Herr auswärts essen.
„Bianca, sei vernünftig!“ mahnte Ehrenstraßer.
„Bin ich! Wird nicht mehr lange dauern!“
„Was soll das heißen?“
Bianca verließ, ohne Antwort zu geben, die Stube.
Ehrenstraßer kämpfte mit sich, die Entrüstung wollte ihn übermannen. Da war es Emmy, die seinen Zorn verscheuchte durch die liebreichen Worte: „Lieber Vater! Es ischt ja meine Mama trotz alledem!“
Diesem Auftritte sollte alsbald eine nicht gerade angenehme Überraschung folgen durch die Ankunft von Biancas Mutter. Frau Zuccatis Einzug in das Richterhaus vollzog sich geräuschvoll, mit echt welschem Lärm, der durch die Aufregung der alten Italienerin und deren Gejammer über die unmenschliche Behandlung, so ihre arme Tochter von dem deutschen Barbaren erlitten, noch gesteigert ward.
Diese Klagen und Verwünschungen fanden bereits auf der Treppe statt, so daß die Parterrebewohner gleich sozusagen aus erster Hand Kenntnis von den neuen Verhältnissen und einer drohenden Katastrophe bei Ehrenstraßer erhielten.
Den dramatischen Höhepunkt erreichten die Lamentationen natürlich in der Wohnung selbst, nachdem die Mädels die mitgebrachten Leckerli in die Mündchen gesteckt erhalten hatten. Dann hielten die welschen Damen Kriegsrat mit größter Zungengeläufigkeit, wobei beide immer gleichzeitig sprachen und keine auf die andere hörte.
Emmy erhielt von der Ankunft der Frau Zuccati durch das Dienstmädchen Kenntnis und im ersten Schrecken darüber flüchtete Emmy aus dem Hause zu Papa, der sich in der Kanzlei befindet und unbedingt verständigt werden muß.
Ehrenstraßer guckte verdutzt auf seine Tochter, das Ereignis wirkt auch auf ihn überraschend und ließ ahnen, daß Bianca mit solcher Verstärkung einen Schlag zu führen beabsichtige.
Der Richter hielt es für gut, sich sogleich ins Treffen zu stellen und damit zu verhindern, daß der unausbleibliche Streit etwa im Gerichtsgebäude zum Austrag kam. Von Emmy begleitet, begab sich Ehrenstraßer nach Hause, und kam eben recht, um einer Tierquälerei ein Ende zu machen, mit welcher seine Mädels eben angelegentlicht beschäftigt waren, indem die Kinder ein Kätzchen, dessen Pfoten sie mit Stricken gebunden hatten, „streckten“ und um so wilder jauchzten, je jämmerlicher das gepeinigte Tier schrie.
Ein paar Hiebe mit der Flachhand um die Ohren genügten zur Beendigung der Tierquälerei und
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