Berichte aus dem Christstollen
Haushalt ausgemacht. Es sei nämlich so, tremolierte das Pubertier, dass nun die Adventskalender aufgehängt würden, und da habe sie mit gehörigem Gram festzustellen, dass sie seit Jahren praktisch dasselbe Zeug darin vorfinde wie ihr immerhin vier Jahre jüngerer Bruder.
Um diesen Vorwurf zu verstehen, muss ich unseren Adventskalenderbrauch erläutern. Wir kaufen nämlich keine fertigen Kalender mit Türchen und Schokolädchen, sondern beschicken seit Jahren zwei selbstgebastelte Exemplare mit Kleinigkeiten. Gummibärchen, Radiergummis, Daumenkinos, Überraschungseier, Center-Shock-Kaugummis, Dinge dieses harmlosen Zuschnitts. Bisher waren damit alle zufrieden. Bisher.
Sie werde nun jedoch langsam älter, und daher sei es nicht mehr okay, dass sie wie Nick saure Kaugummis erhalte, meckerte sie, was Nick dazu veranlasste, «saure Kaugummis» frohlockend durchs Wohnzimmer zu rasen. Seine Vorfreude auf Pfennigartikel aus der Süßigkeitenschmiede ruchloser Chemiehersteller kennt kaum Grenzen.
«Siehst du», fuhr Carla fort, «für ihn ist das toll. Aber wer denkt an mich?»
Ich fragte sie, was sie stattdessen in ihrem Adventskalender vorzufinden erwarte, und sie zählte allerhand Artikel aus dem Setzkastenmilieu weiblicher Teenager auf, zum Beispiel bestimmte Nagellacke und Robert-Pattinson-Devotionalien und sprechende Bilderrahmen und eine Poodlebag.
«Eine was?», fragte ich.
«Eine Tasche mit einem Pudel drauf, wenn ich schon keinen richtigen Pudel haben kann.»
«Pudel sind was für die Jacob Sisters», entschied ich, und komischerweise fragte sie nicht, wer die Jacob Sisters sind. Vermutlich hält sie die Jacob Sisters für weitläufige Verwandte der Jonas Brothers.
Aber an ihrer Kritik war schon etwas dran. Immerhin werden die Kinder älter, die Ansprüche ändern sich und sind irgendwann nicht mehr mit Schokolade und Pixi-Büchern zu befriedigen. Es lohnt sich, den Gedanken zu Ende zu denken und sich vorzustellen, jeder Mensch bekäme in jedem Jahr nur Dinge in den Adventskalender, die ihm in seiner aktuellen Lebenssituation eine Freude machen. Angela Merkel zum Beispiel. Die Schülerin aus Templin hat sich 1963 bestimmt sehr über Walnüsse und Plätzchen gefreut. Schon zehn Jahre später hätte man sie damit kaum hinter dem Labortisch hervorlocken können. Vierzig Zentimeter Hochfrequenzlitze hätten es der Physikstudentin sicher angetan, das wäre was gewesen, oder gleich ein kleiner knuspriger Spulenkern. Inzwischen wünscht sie sich insgeheim hinter jedem Türchen einen dankbaren Wähler oder wenigstens einen kurzen Applaus oder eine klitzekleine Idee zum Damit-Regieren. Aber vermutlich bekommt sie nur Adventskalender mit Euromünzen aus Schokolade oder so etwas. Und das ist ja eigentlich deprimierend. Da hätte man auch gleich Physikerin bleiben können.
Und wie haben wir unser Carla-Problem gelöst? Letztlich besorgten wir doch wieder allerhand Süßigkeiten und für Carla auch noch eine iTunes-Karte und Parfüm.
Im Übrigen besitze auch ich in diesem Jahr einen Adventskalender. Er kam mit der Post als Geschenk von einem Werkzeugversender, bei dem ich einmal einen winzigen Schraubendreher bestellt hatte, um Nicks ferngesteuerten Hai zu reparieren, was nicht gelang und mir den Vorwurf eintrug, ich hätte ihn erst richtig kaputt gemacht und damit gleichsam das Leben meines Sohnes zerstört. Jedenfalls habe ich das riesige Adventskalenderposter von den Werkzeugheinis im Büro aufgehängt.
Hinter jedem Türchen nackte Weiber mit Werkzeug in der Hand. Türchen 12 habe ich schon einmal heimlich geöffnet. Unter einer mit natürlicher Mutation nicht mehr zu erklärenden, üppig bestückten Handwerkerin stand der sagenhafte Satz: «Chantal zeigt Dir, wo der Hammer hängt.»
Natürlich muss ich unbedingt wissen, ob denen für die restlichen 23 Tage vergleichbar irre Sprüche eingefallen sind. «Eva nimmt Dich in die Zange» und so etwas. Bin regelrecht fipsig bei dem Gedanken, dass dieser lyrische Kanonendonner noch bis Heiligabend geht. Ich kann die Aufregung meines Sohnes gut verstehen.
Gedanken zum Advent
Man soll auf dem Weihnachtsfest der Schule schön artig den Dienst tun, zu dem man vom Schulpflegschaftsboss Ulrich Dattelmann eingeteilt wird. Er bestimmt, wer was macht, und das muss man in aller Demut, pünktlich und je nach charakterlicher Disposition möglichst frohgemut erledigen, sonst muss man im Sommer bei der Schulwanderung das Klosett ausheben.
Ich war für den Ausschank eines
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