Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt
diplomatischen Unterredungen, gleich auf welcher Ebene, ein unerhörtes Ereignis.
Als ob der Sowjetführer die Angelegenheit endgültig abschließen wollte, stellte er noch einmal fest, dass die UdSSR bis zum Ende des Jahres auf alle Fälle einen Friedensvertrag unterschreiben werde. »Ihr Zutritt nach Berlin hört dann auf«, teilte er den Amerikanern unverblümt mit. Er hoffe jedoch immer noch, dass die Vernunft siege und der Frieden erhalten bleibe.
Tatsächlich hatte der Sowjetführer noch nicht auf den eigentlichen Vorschlag Kennedys reagiert, deshalb versuchte es der US-Präsident noch einmal.
Kennedy betonte, dass er einen Friedensvertrag an sich noch nicht als kriegerischen Akt betrachten würde, wenn Chruschtschow Westberlin unangetastet lasse. »Aber ein Friedensvertrag, dem zufolge wir unserer Rechte verlustig gehen, ist ein kriegerischer Akt«, stellte er klar. »Die Unterzeichnung des Friedensvertrags ist eine Angelegenheit der Sowjetunion, aber die einseitige Übertragung unserer Rechte an Ostdeutschland ist schon eine ganz andere Sache.«
Es wurde immer klarer, was Kennedy eigentlich sagen wollte: Macht, was ihr wollt, mit dem, was euch gehört, aber rührt ja nicht das an, was uns gehört. Wenn die Vereinigten Staaten ihren Verpflichtungen in West berlin nicht nachkommen würden, »wird die ganze Welt den Schluss ziehen, dass die USA ein Land seien, das seine Verpflichtungen nicht ernst nimmt«. Da Ostberlin jedoch im Machtbereich der Sowjetunion lag, konnte diese dort, wie Kennedy durchblicken ließ, nach eigenem Gutdünken schalten und walten.
Damals erkannte Chruschtschow jedoch noch nicht, welchen Handel Kennedy ihm damit angeboten hatte. Stattdessen drohte der Sowjetführer unverblümt: »Den Versuch, Ihre Rechte hinsichtlich Westberlins auch nach Unterzeichnung des Friedensvertrags aufrechtzuerhalten, […] werden wir als Verletzung des Friedens und der Ordnung in Deutschland betrachten. Wir werden uns damit nicht abfinden, und die Verantwortung möge auf den fallen, der den Frieden verletzt.«
Dann beklagte er die angeblich schlechte Behandlung der Sowjetunion durch die Vereinigten Staaten nach dem Krieg. Sie hätten die UdSSR ihrer Rechte auf Reparationen aus Westdeutschland beraubt. Darüber hinaus hätten die Amerikaner einen doppelten Maßstab angelegt, als sie sich weigerten, einen Friedensvertrag mit Ostdeutschland auszuhandeln, obwohl sie bereits im Jahr 1951 einen Separatvertrag mit Japan geschlossen hatten, ohne zuvor die Sowjets zu konsultieren. Tatsächlich hatte der damalige stellvertretende Außenminister Gromyko die sowjetische Delegation bei der Friedenskonferenz von San Francisco angeführt. Dort hatte er zuerst diesen Vertrag zu verhindern versucht und sich danach geweigert, ihn zu unterzeichnen. Als Begründung hatte er angegeben, dass die Vereinigten Staaten die Chinesen nicht eingeladen hätten und jetzt ein antisowjetisches, militaristisches Japan schaffen würden.
Kennedy konterte, dass Chruschtschow einmal öffentlich erklärt habe, er hätte den Vertrag mit Japan unterzeichnet, wenn er damals bereits an der Macht gewesen wäre.
Für Chruschtschow war jedoch nicht so wichtig, was er vielleicht getan hätte, sondern dass sich die Vereinigten Staaten nicht einmal um eine Zustimmung
der Sowjetunion bemüht hatten. Auch in der Berlin-Frage beruhe die amerikanische Politik auf dem Grundsatz: »Was ich will, das mache ich eben.«
Chruschtschow meinte, er habe jetzt von dieser Art von US-Verhalten endgültig genug. Moskau werde einen Vertrag mit Ostdeutschland schließen. Jede »Verletzung der Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik«, was den Zugang nach Berlin betraf, durch die Vereinigten Staaten werde ernste Folgen haben.
Kennedy antwortete, er befürworte im Gegensatz zu Chruschtschows Behauptung keinen »Krieg in Berlin«, sondern hielte es für gut, wenn »West- und Ostdeutschland einen Weg zur Normalisierung ihrer Beziehungen finden würden« und die künftigen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten eine »Lösung des gesamten deutschen Problems« gestatten würde. Er selbst sei nicht »darum bemüht, dass die Sowjetunion die Verbindungen einbüßt, die sie in Europa hat«. Damit versicherte er Chruschtschow wie bereits am ersten Tag, dass er nichts tun werde, um die Machtbalance in Europa zu verändern.
Kennedy erinnerte daraufhin Chruschtschow daran, dass er ihn »seinerzeit als jungen Mann bezeichnet« habe, womit er
Weitere Kostenlose Bücher