Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
abgefahren worden, das war mal ein anständiger Mann, läßt sich eidlich bezeugen, jetzt ist er Lude, wollen wir noch erörtern, durch wessen Schuld. Trommelgerassel, Bataillone auf, nu steht er da. »Mensch, Reinhold, du hast doch ein Revolver.« »Und?« »Wat willste damit? Wat du willst?« »Ick. Nischt!« »Na. Denn kannste ihn ja weglegen.« Reinhold legt den Revolver vor sich auf den Tisch. »Wozu kommste nu zu mir?« Da steht er, da ist er, der hat mir im Hausflur geboxt, der hat mir rausgeworfen ausm Wagen, vorher war gar nichts, war noch Cilly da, bin die Treppe runtergegangen. Das steigt auf. Mond über dem Wasser, greller blendender am Abend, Glockenläuten. Jetzt hat er einen Revolver.
»Setz dir doch, Franz, sag mal, du hast woll gekübelt?« Weil der so stier guckt, der muß besoffen sein, der kann das Saufen nicht lassen. Das wird es sein, der ist besoffen, aber den Revolver hab ich ja. Ei bloß wegen dem Tschingdarada bumdarada bum. Da setzt sich Franz. Und sitzt. Der grelle Mond, das ganze Wasser strahlt. Jetzt sitzt er bei Reinhold. Das ist der Mann, dem er geholfen hat mit die Mädels, ein Mädel nach dem andern hat er ihm abgenommen, dann wollt er ihn kriegen Schmiere zu stehen, aber gesagt hat er nichts, und jetzt bin ick Lude, und wer weeß, wie es mit Mieze gehen wird, und das ist die Sachlage. Aber das ist alles gedacht. Es geschieht nur eins: Reinhold, Reinhold sitzt da.
»Ich wollt dir bloß sehen, Reinhold.« Det wollt ich; den ansehen, ansehen, genügt schon, da sitzen wir. »Haste vor, Daumen anlegen, wat, erpressen, von wegen damals? Wat?« Stillgehalten, nich gezuckt. Junge, geradeaus marschiert, nanu son paar Granaten. »Erpressung, wat? Wieviel willste denn. Wir sind gewappnet. Det du Lude bist, wissen wir ooch.« »Det bin ick. Wat soll ick denn machen mit een Arm?« »Also wat willste?« »Gar nischt, gar nischt.« Bloß richtig sitzen, festhalten, das ist Reinhold, so schleicht er herum, bloß nicht umschmeißen lassen.
Aber es ist schon ein Zittern in Franz. Es waren drei Könige, die zogen aus dem Morgenland, die hatten Weihrauch und den schwenkten sie, immer schwenkten sie den. Die hüllen einen in Rauch. Reinhold überlegt: entweder ist der Kerl besoffen, dann wird er bald gehen und weiter ist nichts, oder der will doch was. Nee, der will was, aber was, der will nicht erpressen, aber was denn. Reinhold holt Schnaps und denkt, so werd ich meinen Franz rauslocken. Wenn den bloß nicht der Herbert hergeschickt hat, ausbaldowern und dann uns verschütt gehen lassen. In dem Augenblick, wo er die beiden blauen Gläschen hinstellt, sieht der, daß Franz zittert. Der Mond, der weiße Mond, er ist grell über dem Wasser hochgestiegen, da kann keener raufsehen, ick bin blind, wat is mit mir. Kuck, der kann nicht mehr. Der hält sich steif, aber kann nicht mehr. Und da hat Reinhold eine Freude und nimmt langsam den Revolver vom Tisch und steckt ihn sich in die Tasche und gießt ein und sieht wieder: dem zittern die Pfoten, der hatn Tatterich, das ist ein Schlappjeh, die Großschnauze, der fürcht sich vorm Revolver oder vor mir, na ick tu ihm nichts. Und Reinhold ist sehr sehr ruhig, freundlich, jawoll. Wonne, wie der dies Zittern sieht, nee, der is nich besoffen, der Franz, der hat Furcht, der klappt zusammen, der macht sich noch in die Hosen, der wollt vor mir eine große Schnauze riskieren.
Und Reinhold fängt von Cilly an zu erzählen, als wenn wir uns gestern gesehen hätten, die war noch mal wieder bei mir durchpassiert, ein paar Wochen, ja das gibt es, wenn ich eine mal ein paar Monate nicht gesehen habe, dann kann ich sie schon mal wieder haben, ne Reprise, das ist eine komische Sache. Dann holt er Zigaretten und ein Pack schweinische Bilder, und dann Photographien, Cilly ist auch bei, mit Reinhold zusammen.
Franz kann nichts sagen, er sieht immer bloß auf Reinholds Hände, der hat zwei Hände, zwei Arme, er hat bloß einen, mit den zwei Händen hat ihn Reinhold untern Wagen geschmissen, ach warum, ach darum, müßt ich nicht den Kerl totschlagen, ach bloß wegen dem Tschingdarada. Herbert meint, aber das mein ick alles nicht, was mein ick bloß. Ick kann nichts, ick kann gar nichts. Ick muß doch, ick wollt doch wat tun, ach bloß wegen dem Tschingdarada bumdarada – ich bin überhaupt keen Mann, ein Hahnepampen. Er sinkt in sich zusammen und dann bebt er wieder auf, er schluckt Kognak, und dann noch eenen, hilft alles nichts, und dann sagt Reinhold leise, leise: »Ick,
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