Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
schämt sich bitter: det mache ick, det hab ick mir gefallen lassen, son Idiot bin ick, ick muß zittern vor dem Kerl. Und die Scham ist so groß und so stark. Franz knirscht, er könnt sich zerreißen, das hab ich nicht gewollt, ich bin doch keen Feigling, wenn ich ooch bloß eenen Arm habe.
Ick muß hin zu dem. Und gibt sich aus. Das ist schon Abend, wo Franz so weit ist und vom Stuhl aufsteht. Er kuckt sich im Zimmer um, da steht Schnaps, hat Mieze hingestellt, trink ich nicht. Ick will mir nich schämen. Soll man die Augen von Franz sehen. Ick – geh hin zu ihm. Rum di bum, Kanone, Posaune. Vorwärts, runter, die Jacke an, die hat er mir ausstopfen wollen, ick setz mir vor ihn, da zittert ooch keene Miene bei mir.
Berlin! Berlin! Berlin! Tragödie auf dem Meeresgrund, U-Boot gesunken. Besatzung erstickt. Und wenn sie erstickt sind, dann sind sie tot, da soll keen Hahn nach krähen, dann ist es vorbei, dann ist es aus, Schwamm drüber. Marsch, marsch. Zwei Militärflugzeuge abgestürzt. Dann sind sie runter, dann sind sie tot, da hat keen Hahn nach zu krähen, was tot ist, ist tot.
»Juten Abend, Reinhold, Jawoll siehste, da bin ick wieder.« Der kuckt Franzen an: »Wer hat dir ringelassen?« »Mir? Keener. Die Tür war offen, bin ick einfach ringekommen.« »So, und klingeln kannste nich.« »Bei dir werd ich doch nich klingeln, bin doch nich besoffen.«
Und dann sitzen die beiden gegenüber, rauchen, und Franz Biberkopf zittert nicht und hält sich steif und freut sich, daß er lebt, und das ist der beste Tag, seit er unter den Wagen fiel, und das war das beste, was er gemacht hat seit damals: hier zu sitzen, verflucht, das ist schön. Und das ist besser als Versammlungen und beinah besser – besser als die Mieze. Ja, das ist das Schönste von allem: der schmeißt mir nich um.
Da ist es acht Uhr abend, wo Reinhold Franzen ins Gesicht sieht: »Franz, du weeßt doch, was wir beide miteinander abzumachen haben. Sag mal, willste wat von mir, dann sag es mal ganz offen heraus.« »Wat hab ick mit dir abzumachen?« »Mit dem Auto.« »Det hat ja keenen Zweck, davon wächst mir der Arm nich wieder. Und dann –« Franz schlägt mit der Faust auf den Tisch: »Dann war es gut. Es ging nicht so weiter mit mir. Det mußte mal kommen.« Hoho, so weit sind wir, so weit waren wir schon lange. Reinhold sondiert: »Du meenst, mit dem Straßenhandel.« »Jawoll, damit ooch. Ick hatt een Vogel im Kopp. Na, nu is er raus.« »Und der Arm is ab.« »Dann hab ick noch eenen, und dann hab ick noch eenen Kopp und noch zwei Beene.« »Wat machste? Drehste alleene Dinger oder mit Herbert?« »Mit een Arm? Da kann ick nischt machen.« »Aber weeßte, bloß Lude sein, det is doch zu langweilig.«
Und Reinhold denkt und kuckt den an, wie der so dick und stark dasitzt: Mit dem Jungen möcht ich spielen. Der setzt sich uff die Hinterbeene. Dem muß man die Knochen knacken. Der eene Arm genügt noch nicht bei dem.
Und sie fangen von Weibern an und Franz erzählt von Mieze, die hieß früher Sonja, die verdient gut und ist ein braves Mädel. Da denkt Reinhold: Das ist schön, die nehme ick ihm weg und dann schmeiß ick ihn ganz und gar in den Dreck.
Denn wenn auch die Würmer Erde fressen und die hinten immer wieder rauslassen, so fressen sie sie immer wieder von neuem. Und da können die Biester keinen Pardon geben, wenn man ihnen heute den Magen vollstopft, morgen müssen sie schon wieder ran und müssen schnappen. Das ist mit dem Menschen so wie mit dem Feuer: wenn es brennt, muß es fressen, und wenn es nicht fressen kann, geht es aus, muß es ausgehen.
Franz Biberkopf freut sich über sich selbst, wie er da hat sitzen können, ohne Zittern und ganz ruhig und festlich freudig wie neugeboren. Und wie er mit Reinhold runtergeht, findet er es wieder: Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren, rechts, links, es ist schön, zu leben, das sind alles meine Freunde, was hier geht, hier schmeißt mich keiner hin, das soll einer versuchen. Ei warum, ei darum, schauen die Mädchen aus Fenstern und Türen.
»Ich geh tanzen«, sagt er zu Reinhold. Der fragt: »Kommt deine Mieze mit?« »Nee, die is mit ihren Gönner weg uff zwee Tage.« »Wenn sie wiederkommt, denn geh ick mit.« »Schönchen, wird sich freuen.« »Na, na?« »Wenn ick dir sage; die beißt dir nicht.«
Franz ist gewaltig lustig, er hat die Nacht, der Neugeborene, Glückliche, durchgetanzt, erst im Alten Ballhaus, dann im Lokal bei Herbert, und die freuen sich alle mit
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