Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
ick möcht mal, Franz, ick möcht mal deine Wunde sehen.« Ei bloß wegen dem Tschingdarada bumdarada. Da schlägt Franz Biberkopf – das ist es – die Jacke auf, zeigt den Stumpf mit dem Hemdärmel, Reinhold verzerrt das Gesicht: sieht eklig aus, Franz schlägt die Jacke zu: »Früher wars schlimmer.« Und dann kuckt Reinhold weiter seinen Franz an, der nichts sagt und nichts kann und ist so dick wie ein Schwein und kann nicht das Maul aufmachen, und Reinhold muß den weiter begrinsen und hört nicht auf.
»Du, trägste immer den Ärmel so in der Tasche? Steckste den immer rein oder ist der angenäht?« »Nee, der, den steck ich immer rein.« »Mit die andere Hand? Nee, wohl, wenn de dich noch nicht angezogen hast?« »Na mal so und mal so; wenn ick die Jacke anhabe, gehts nicht so gut.« Reinhold steht neben Franz, zupft an dem Ärmel. »Mußte aber immer uffpassen, daß du nischt in die rechte Tasche steckst. Nachher kann man da leicht was klauen.« »Bei mir nich.« Reinhold denkt noch immer nach: »Sag mal, wie machste det eigentlich mitm Paletot, det muß doch ganz unbequem sein. Zwee leere Ärmel.« »Is ja Sommer. Det kommt erst im Winter.« »Det wirste noch merken, wird nich schön sein. Kannste dir eigentlich nicht ein künstlichen Arm koofen, wenn einer das Bein ab hat, macht er sich doch ooch een falschet an.« »Weil er sonst nich loofen kann.« »Kann man sich een falschen Arm anschnallen, sieht besser aus.« »Nee, nee, drückt bloß.« »Ich würd mir eenen koofen, oder vielleicht den Ärmel ausstopfen. Komm doch, machen wir mal.« »Wozu, ich will nich, Mensch.« »Loofste doch nicht mit son schlappen Ärmel rum, sieht doch ganz schön aus, brauch keener zu merken.« »Wat soll ick denn damit. Ich will nich.« »Komm doch, Holz ist falsch. Paß uff, paar Strümpfe oder Hemden rin, paß uff.«
Und Reinhold ist dabei, zieht den leeren Ärmel raus, faßt rein und ist an seiner Kommode und fängt an, reinzustopfen, Strümpfe, Taschentücher. Franz wehrt sich. »Wozu denn, Mensch, hat doch keen Halt, wird ne Wurscht, laß mir doch.« »Nee. Kann dir sagen, det mußte von einem Schneider machen lassen, det muß von einem gespannt werden, sieht noch mal so gut aus, loofste doch nich als Krüppel rum, haste nur die Hand in der Tasche.« Die Strümpfe fallen wieder raus: »Ja, det is Schneiderarbeit. Ick kann Krüppel nich leiden, Krüppel ist vor mir ein Mensch, der zu nischt taugt. Wenn ick nen Krüppel sehe, sag ich: denn mal lieber ganz weg damit.«
Und Franz hört und hört, nickt viel. Das Zittern läuft über ihn, ohne daß ers will. Er ist wo auf dem Alex bei dem Einbruch, es ist alles weg von ihm, das muß mit dem Unfall zusammenhängen, das sind die Nerven, da wolln wir doch sehen. Aber es reißt und schauert weiter. Auf, los, runter, adiö Reinhold, ich muß türmen, Fuß gefaßt, rechts, links, rechts, links, Tschingdarada.
Da kommt der dicke Franz Biberkopf zu Hause an und ist bei Reinhold gewesen, und seine Hand und Arm zittert und schüttelt noch immer, die Zigarette fällt ihm aus dem Mund, wie er nach Haus kommt. Und da sitzt Mieze oben bei ihm mit ihrem Kavalier und hat auf Franz gewartet, weil sie mit dem Kavalier zwei Tage weg sein will.
Er zieht sie beiseite. »Wat habe ick denn von dir?« »Wat soll ick denn machen, Franz? O Jott, Franz, was ist denn?« »Nischt, schieb man ab.« »Ich bin heut abend wieder da.« »Schieb ab.« Er brüllt beinah. Da kuckt sie nach dem Kavalier, schenkt Franz rasch einen Kuß in den Nacken und ist raus. Und unten klingelt sie Eva an: »Wenn du Zeit hast, komm doch her zu Franz. Wat er hat? Ick weeß ja nicht. Komm doch.« Aber nachher kann Eva nicht, Herbert schimpft mit ihr den ganzen Tag herum, sie kann nicht ab.
Derweil sitzt unser Franz Biberkopf, die Kobraschlange, der eiserne Ringer, allein, ganz allein, derweil sitzt der an seinem Fenster, krallt seine Hand um das Fensterbrett und denkt nach, ob es nicht Quatsch, verfluchter Mist ist, daß er auf Reinhold seine Bude gegangen ist, und das soll der Deibel holen, und das ist Quatsch, wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren, Quatsch is es, Verbohrtheit, und da muß ich raus, ich muß was anderes machen. Und derweilen denkt er schon, ick mach es doch, ich muß hin, det jeht nicht so weiter, der hat mir blamiert, die Jacke hat er mir ausgestopft, ick kann det keenem Menschen sagen, ist so wat vorgekommen.
Und Franz legt den Kopf fest gegen das Brett und gräbt sich ein und schämt sich,
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