Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Freundin, geht durch die Geschäfte, die Pums für den Absatz eingerichtet hat, und hat noch Zeit, sich was zu überlegen. Der Kerl langweilt sich unaufhörlich, das bekommt dem nicht gut. Wenn der Geld hat, bekommts ihm nicht, und der Suff ist ihm auch nicht gut, dem ist schon besser, er latscht in der Kneipe rum, horcht, arbeitet und trinkt Kaffee. Und nu sitzt, wenn er zu Pums kommt oder wo er hinkommt, immer dieser Franz da und ihm vor der Nase, der Dussel, der Freche, mit dem einen Arm, und beißt den dicken Wilhelm raus und hat noch immer nicht genug und spielt den Scheinheiligen, als wenn der Ochse keine Fliege anrühren könnte. Und so gewiß, wie zweimal zwei vier ist, will der was von mir. Und das Luder is immer vergnügt, und wo ick bin und wo ick arbeite, da ist er ooch. Na, da wollen wir uns mal Luft schaffen. Wollen wir uns mal Luft schaffen.
Was macht denn aber der Franz? Der? Na, was wird er machen? Geht in der Welt herum, ist Ihnen die vollste Ruhe und Friedfertigkeit, was sich denken läßt. Mit dem Jungen können Sie machen, was Sie wollen, der fällt immer auf die Beine. Gibt solche Leute, viel ja nicht, aber gibt.
In Potsdam, da bei Potsdam ist einer gewesen, den haben sie nachher den lebenden Leichnam genannt. War auch solche Nummer. Der Kerl, ein gewisser Bornemann hat es fertiggebracht, wie er schon ganz abgebaut hat und an seine 15 Jährchen Zuchthaus knabberte, türmt er, also der Mann türmt, übrigens war doch nicht bei Potsdam, war bei Anklam, Gorke hieß das Nest. Da trifft unser Bornemann auf seinem Spaziergang aus Neugard einen Toten, schwimmt im Wasser, in der Spree, und Neugard, nee Bornemann aus Neugard, sagt: »Ick bin eigentlich schon tot«, geht hin, steckt dem seine Papiere ein, und nu ist er tot. Und Frau Bornemann: »Was soll ich denn? Da ist doch weiter nichts zu machen, der ist tot, und obs mein Mann ist, na, Gott sei Dank ist ers, verloren ist ja an son Mann nischt, wat hat man denn von dem, halbet Leben sitzt so eener, weg mit Schaden.« Mein Ottochen, Achgottochen, ist aber gar nicht tot. Der kommt nach Anklam, und weil er gerade gemerkt hat, das Wasser ist wat Schönes, und er hat nun eine Vorliebe für Wasser, da wird er Fischhändler, handelt mit Fische in Anklam und heißt Finke. Bornemann gibts nu nicht mehr. Geschnappt haben sie ihn aber doch. Und wieso und wie, da halten Sie sich fest auf Ihrem Stuhl.
Muß ausgerechnet seine Stieftochter rüberkommmen nach Anklam in Stellung, man denke sich, wo die Welt so groß ist, zieht die gerade nach Anklam und trifft den wiederauferstandenen Fisch, der ist nun schon 100 Jahre da und ist aus Neugard raus, und inzwischen ist son Mädel groß geworden und ist von zu Hause geflogen, und natürlich, er erkennt sie gar nicht, aber sie ihn. Sagt sie zu ihm: »Sagen Sie mal, du bist doch unser Vater?« Sagt er: »Iwo, bei dir piepts wohl?« Und wie sies nicht glaubt, ruft er noch seine Frau und seine, sage und schreibe, fünf Kinder, die könnens auch bezeugen: »Finke ist er, Fischhändler.« Otto Finke, das weiß ja jeder im Dorf. Das weiß ja nu ein jeder, Herr Finke heißt der Mann, der andere, der gestorben ist, der heißet Bornemann.
Sie aber, er hat ihr nichts getan, ihr ist damit nichts bewiesen. Weggegangen ist das Mädel, was geht in einer weiblichen Seele vor, der Vogel sitzt ihr fest im Kopf. Sie schreibt einen Brief nach Berlin an die Kriminalpolizei, Abt. 4a: »Ich habe von Herrn Finke mehrmals gekauft, aber da ich seine Stieftochter bin, so betrachtet er sich nicht als meinen Vater und betrügt meine Mutter, denn er hat fünf Kinder von einer andern.« Die Vornamen dürfen die Kinder zum Schluß behalten, hinten aber sind sie angeschmiert. Hundt heißen sie, mit dt, nach ihrer Mutter, und sind auf einmal allesamt uneheliche Kinder, für die der Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches da ist: Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten als nicht verwandt.
Und so wie dieser Finke ist Ihnen Franz Biberkopf die völligste Ruhe und Friedfertigkeit. Den Mann hat mal eine Bestie angefallen und hat ihm einen Arm abgebissen, aber dann hat er sie gestaucht, daß sie raucht und faucht und hinter ihm kraucht. Keiner, der mit Franz geht, bis auf einen, sieht, wie er die Bestie hat gestaucht, daß sie kraucht und raucht und hinter ihm faucht. Franz geht auf so straffen Beinen, er trägt seinen Dickschädel so gerade. Obwohl er nichts tut wie die andern, hat er so helle Augen. Aber der eine, dem er schon gar nichts getan hat,
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