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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Biberkopf und George Dreske, ein Zeitungshändler und ein ausgesperrter Schleifer aber stehen am Schanktisch, halten sich senkrecht auf ihren unteren Extremitäten in Hosen, stützen sich auf das Holz mit den Armen, die in dicken Mantelröhren stecken. Jeder von ihnen denkt, beobachtet und fühlt, jeder was anderes.
    »Dann kannst du ruhig wissen und kannst merken, daß da überhaupt kein Arras war, Orge. Wir haben es einfach nicht zustande gebracht, wir nicht, wollen es schon ruhig sagen. Oder ihr oder die, die dabei waren. War keine Disziplin, hat ja keiner kommandiert, immer einer gegen den andern. Ich bin aus dem Graben getürmt und du mit und dann noch Öse. Na, und hier zu Haus, wies losging, wer ist denn da getürmt? Alle durch die Bank. War gar keiner da, der dablieb, hast es ja gesehn, vielleicht ne Handvoll, tausend, schenk sie dir.« Von da bläst der und ist solch Hornvieh, und auf den Leim geht er. »Weil wir verraten sind, Franz, achtzehn und neunzehn, von den Bonzen, und Rosa haben sie gekillt und Karl Liebknecht. Da sollen mal Leute zusammenhalten und sollen was machen. Kuck dir Rußland an, Lenin, da halten sie, das ist Kitt. Aber abwarten.« Blut muß fließen, Blut muß fließen, Blut muß fließen knüppelhageldick. »Ist mir ganz egal. Über Abwarten geht die Welt kaputt und du mit. Auf son Kalmus piep ich nu wieder nich. Für mich ist der Beweis: Sie habens nicht zustande gebracht, und das genügt mir. Nicht das kleinste Ding ist zustand gekommen, wie der Hartmannsweilerkopf, wovon mir da einer immer was predigt, der Invalide, der saß oben, den kennst du nicht, nicht mal das. Na und –«
    Richtet sich Franz auf, langt sich seine Binde vom Tisch, stopft sie sich in die Windjacke, streicht wagerecht hin und her mit dem linken Arm, wie er langsam zu seinem Tisch zurückkehrt: »Und da sage ich, was ich immer sage, und verstehst du, Krause, kannst dir auch merken, Richard: kommt nichts raus bei euren Sachen. Auf die Weise nicht. Weiß nicht, ob bei denen was rauskommt mit die Binde hier. Hab ich auch gar nicht gesagt, aber ist doch ne andere Sache. Friede auf Erden, wies gesagt ist, so ist richtig, und wer arbeiten will, soll arbeiten, und für die Zicken sind wir uns zu gut.«
    Und sitzt auf der Fensterbank und wischt sich die Backe, blinzelt in die helle Stube, zupft sich ein Haar aus dem Ohr. Die Elektrische knirscht um die Ecke, Nr. 9, Ostring, Hermannplatz, Wildenbruchplatz, Bahnhof Treptow, Warschauer Brücke, Baltenplatz, Kniprodestraße, Schönhauser Allee, Stettiner Bahnhof, Hedwigkirche, Hallesches Tor, Hermannplatz. Der Wirt stützt sich auf den Bierhahn aus Messing, lutscht und züngelt an seiner neuen Plombe im Unterkiefer, schmeckt nach Apotheke, die kleine Emilie muß den Sommer wieder aufs Land oder nach Zinnowitz mit der Ferienkolonie, das Kind mickert schon wieder, seine Augen treffen wieder den grünen Prospekt, der liegt schief, er legt ihn zurecht, ein bißchen Beängstigung dabei, kann nichts schief liegen sehen. Bismarckheringe in ff. Gewürztunke, Zartfleisch ohne Gräten, Rollmöpse in ff. Gewürztunke, zart mit Gurkeneinlage, Heringe in Gelee, große Stücke, zarte Fische, Bratheringe.
    Die Worte, tönende Wellen, Geräuschwellen, mit Inhalt gefüllt, schaukeln hin und her durch die Stube, aus der Kehle Dreskes, des Stotterers, der gegen den Boden lächelt: »Also dann viel Glück, Franz, wie der Pfaffe sagt, auf deinem neuen Lebensweg. Wenn wir also im Januar nach Friedrichsfelde marschieren, zu Karl und Rosa, machst du diesmal nicht mit, wie sonst.« Laß den stottern, ich verkauf meine Zeitungen.
    Der Wirt lächelt, als sie alleine sind, Franzen an. Der streckt behaglich die Beine unter den Tisch: »Warum, meinen Sie, Henschke, warum daß die türmen? Die Binde? Die holen Verstärkung!« Der hört nicht auf damit. Den werden sie hier noch raushauen. Blut muß fließen, Blut muß fließen, Blut muß fließen knüppelhageldick.
    Der Wirt schmeckt an seiner Plombe, man muß den Stieglitz mehr ans Fenster rücken, solch Tierchen will auch ein bißchen Licht. Franz ist ihm behilflich, schlägt hinterm Ladentisch einen Nagel ein, der Wirt trägt von der andern Wand den Bauer mit dem flatternden Tierchen an: »Ist ordentlich duster heute. Zu hohe Häuser.« Franz steht auf dem Stuhl, hängt den Bauer an, tritt runter, pfeift, hebt den Zeigefinger, flüstert: »Jetzt mal keiner ran. Gewöhnt sich schon. Ist ein Stieglitz, eine Sie.« Sind beide ganz still, nicken sich zu,

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