Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
schmettert in das Lokal: »Es braust ein Ruf wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und Wogenprall: Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein, wir alle wollen Hüter sein! Lieb Vaterland, magst ruhig sein, lieb Vaterland, magst ruhig sein. Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein, fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!« Das haben wir alles hinter uns, das wissen wir, und jetzt sitzen wir hier, und das Leben ist schön, schön, alles schön.
    Darauf sind die ganz still, der eine Neue besänftigt sie, sie lassen es vorbeiziehen; Dreske sitzt gebückt und kratzt sich den Kopf, der Wirt tritt hinter dem Schanktisch vor, schnüffelt und setzt sich an den Tisch neben Franz. Franz grüßt am Schluß seines Liedes das ganze Leben, er schwenkt sein Seidel: »Prost«, schlägt auf den Tisch, strahlt, es ist alles gut, er ist satt, wo bleibt bloß Lina, er fühlt sein volles Gesicht, er ist ein kräftiger Mann, gut im Fleisch mit Fettansatz. Keiner antwortet. Schweigen.
    Einer schwingt drüben sein Bein über den Stuhl, knöpft sich die Jacke fest, zieht die Taille stramm, ein langer Aufrechter, ein Neuer, da haben wir den Salat, und im Parademarsch rüber zu Franz, der wird eins auf den Kopf kriegen, das heißt, wenn der Neue ranlangt. Der macht einen Hops und setzt sich rittlings auf Franzens Tisch. Franz sieht sich das an, wartet: »Na Mensch, es wird doch wohl noch Stühle hier geben im Lokal.« Der zeigt von oben runter auf Franzens Teller: »Was haste hier verzehrt?« »Ich sage, es wird doch wohl noch Stühle hier geben im Lokal, wenn du Augen hast. Sag mal, dir haben se wohl als Kind zu heiß gebadet, sag mal.« »Davon reden wir gar nicht. Ich will wissen, was du verzehrt hast.« »Käsestullen, Ochse. Da liegt noch die Rinde für dich, Rindsvieh. Du gehst jetzt vom Tisch runter, wenn du keine Manieren hast.« »Daß es Käsestullen sind, rieche ich alleene. Bloß woher.«
    Aber Franz mit roten Ohren ist auf, die vom andern Tisch auch, und Franz seinen Tisch angefaßt, umgekippt und der Neue mitsamt Teller, Seidel und Mostrichfaß auf die Erde geplumpst. Der Teller ist kaputt. Henschke hat das schon erwartet, stampft auf die Scherben: »Ausgeschlossen, Keilerei gibts bei mir nicht, in meinem Lokal wird nicht gehauen, wer nicht Frieden hält, fliegt raus.« Der Lange ist wieder auf den Beinen, schiebt den Wirt beiseite: »Gehn Sie man weg, Henschke, hier gibts keine Hauerei. Wir rechnen ab. Wenn einer was kaputt macht, muß ers bezahlen.« Ich hab mich ergeben, denkt Franz, hat sich ans Fenster geklemmt vor der Jalousie, hier geh ich los, wenn die mich bloß nicht anfassen, Mensch, wenn die mich bloß nicht anfassen; ich bin allen gut, aber es gibt ein Malheur, wenn der bloß nicht so dämlich ist, mich anzufassen.
    Der Lange zieht die Hosen hoch, so, der fängt an. Franz sieht was kommen, was wird nu Dreske machen, der steht auch bloß da und sieht sich das an. »Orge, was ist denn das fürn Achtgroschenjunge, wo hast du dir denn den Rotzlöffel besorgt, den du anschleppst?« Der Lange fummelt an seinen Hosen, die rutschen ihm wohl, soll sich neue Knöppe annähen lassen. Der Lange höhnt gegen den Wirt: »Immer sprechen lassen. Faschisten können reden. Wat die sagen, die genießen bei uns Redefreiheit.« Und Dreske winkt mit dem linken Arm von rückwärts rum: »Nee, Franz, ich hab mich nich eingemischt, sieh zu, was du dir einbrockst mit deine Sachen und deine Lieder, nee, ich misch mir nich ein, so was hats hier noch nich gegeben.«
    Es braust ein Ruf wie Donnerhall, ach so, das Lied auf dem Hof, da wollen die dran tippen, da wollen die mitreden.
    »Faschist, Bluthund!« Der Lange brüllt vor Franz: »Gib die Binde raus! Na, wirds bald?«
    Jetzt gehts los, die wollen zu vier auf mich los, ich bleib mit dem Rücken am Fenster, erst mal ein Stuhl her. »Die Binde raus! Ich zieh sie ihm aus der Tasche. Ich verlange die Binde von dem Kerl.« Die andern sind bei ihm. Franz hat den Stuhl in den Händen. Haltet den mal erst fest. Erst festhalten. Dann zoppe ich los.
    Der Wirt hält den Langen von rückwärts, bettelt: »Nun gehn Sie! Biberkopf, nu gleich, gehn Sie bloß los.« Dem ist für seinen Laden bange, hat wohl die Scheiben nicht versichert, na, von mir aus. »Henschke, natürlich, gibt so viele Lokale in Berlin, ich hab bloß auf Lina gewartet. Stehen Sie aber bloß die bei? Warum drängen die einen raus, wo ich jeden Tag hier sitze und die beiden Neuen heute abend zum erstenmal da sind.« Der

Weitere Kostenlose Bücher