Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
vergreifen.« Die Verbrecher, die gemeinen, die Erpresser, die sind weg, und mir haben sie mit dem Mist ringelegt.
Hopp hopp hopp, Pferdchen macht wieder Galopp
An den Gesprächen im Hausflur, auf dem Hof hat Franz Biberkopf, Hände in den Taschen, Kragen über die Ohren, Kopf und Hut zwischen den Schultern, nicht teilgenommen. Hat immer gehört bei der Gruppe und rumgehört bei der Gruppe. Nachher hat er zugesehen, und sie haben Spalier gebildet, wie der Zimmerer und sein dickes Frauchen über den Hausflur auf die Straße geführt wurden. Zoppen nu ab. Bin auch mal geloofen. War aber duster damals. Kuck einer, wie die gradeaus gaffen. Schämen sich. Ja, ja, ihr könnt hecheln. Ihr wißt, wie es in einem Menschen aussieht. Das sind die richtigen Spießer, hocken hinter dem Ofen, gaunern, aber die kriegt man nicht. Die Gaunereien von die Brüder sind nicht zu fassen. Jetzt machen sie den grünen Heinrich auf. Ja, nu man rin, immer man rin, Kinderchen, das kleene Frauchen auch, ist woll bedudelt, hat recht, goldrecht hat die. Laß die man lachen. Sollen mal wissen, wie det ist. Abfahrt Seefe, schrumm.
Die Leute steckten noch die Köpfe zusammen, da stand Franz Biberkopf vor der Haustür, war niederträchtig kalt. Er sah die Haustür von außen, sah über den Damm, was soll der Mensch jetzt tun, was tun. Er trat von einem Bein aufs andere. Verflucht kalt, hundemäßig kalt. Ich geh nich nach oben. Wat mach ich bloß.
Da stand er, drehte sich – und merkte nicht, daß er so aufgeweckt war. Mit der Bande, die da stand und hechelte, hatte er nichts zu tun. Ich sehe mich woanders um. Die vertreiben mich von hier. Und er trabt flott los, die Elsasser Straße herunter, am Bauzaun der Untergrundbahn entlang zum Rosenthaler Platz zu, irgendwohin.
Es war geschehen, daß Franz Biberkopf aus seinem Bau gekrochen war. Der Mann, den sie durch das Spalier trieben, die runde, bedudelte Frau, der Einbruch, der grüne Heinrich liefen mit ihm. Wie aber eine Kneipe kam, noch vor der Ecke zum Platz, ging es los. Da fuhren seine Hände von selbst in die Tasche, und keine Flasche zum Füllen. Nichts. Keine Flasche. Verschwitzt. Oben gelassen. Wegen dem Mist. Wie der Radau war, bloß rin in den Mantel, runter und nich an die Flasche gedacht. Verflucht. Zurücktroddeln? Da ging es los in ihm: Nein ja, ja nein. Soviel Zucken, Hin und Her, Schimpfen, Drangeben, Schieben, na was denn, laß mich zufrieden, ich will doch rin, so was war seit einer Ewigkeit nicht in Franz. Geh ich rein, geh ich nicht rein, hab ich Durst, aber da genügt Selter, wenn du reingehst, willst du ja bloß saufen, Mensch, ja, ich hab so furchtbaren Durst, mächtigen, massiven Durst, Gott, möcht ich gern saufen, bleib doch lieber hier, geh nich rin in die Bude, sonst liegst du bald wieder auf der Nase, du, und dann hockst du wieder oben bei der Ollen. Und dann war wieder da der grüne Heinrich und die beiden Zimmerleute, und schrumm, rechts um, nee, hier bleiben wir nich, vielleicht woanders, weitergegangen, weiter, laufen, immer laufen.
So ist Franz mit 1,55 Mark in der Tasche bis zum Alexanderplatz gelaufen, hat bloße Luft geschnappt und ist gerannt. Dann hat er sich gezwungen, und obwohl er einen Widerwillen hatte, hat er in einem Speiselokal gegessen, richtig gegessen, seit Wochen zum erstenmal richtig, Kalbsragout mit Kartoffeln. Nachher war der Durst weniger, bleiben 75 Pfennig, die er in der Hand rieb. Geh ich zu Lina, was soll mich die Lina, die mag ich nicht. Seine Zunge wurde stumpf und sauer, sein Hals brandig. Ich muß noch eine Selter hintergießen.
Und dann – wußte er im Schlucken, in dem angenehm kühlen Hinuntergießen und im Kitzeln der Kohlensäurebläschen, wohin er wollte. Zu Minna, das Filet hat er ihr geschickt, die Schürzen hat sie nicht angenommen. Ja, das ist richtig.
Stehn wir auf. Vor dem Spiegel machte sich zurecht Franz Biberkopf. Wer aber gar nicht erbaut war, als er seine blassen, schlaffen, pickligen Backen sah, war Biberkopf. Hat der Kerl eine Visage. Striemen auf der Stirn, wovon bloß rote Striemen, von der Mütze, und die Gurke, Mensch, sone dicke, rote Neese, das braucht aber nicht vom Schnaps zu sein, das ist kalt heute; bloß die gräßlichen ollen Glotzaugen, wie ne Kuh, woher ich bloß sone Kalbsaugen habe und so stiere, als wenn ich nicht mit wackeln kann. Als wenn mir einer Sirup rübergegossen hat. Aber vor Minna macht das nichts. Mal Haare zurechtdrücken. So. Wir gehen runter zu ihr. Die gibt mir ein paar Pfennige
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