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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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meine Finger zitterten, zum ersten Mal seit sechzehn Jahren. Endlich Antworten! Lösungen! Geschenke! Liebe!
    Im Stillen versprach ich meinem Psychiater, dass ich mich revanchieren würde, falls mir seine Einsichten Offenbarungen schenkten. Ich würde eine Münze werfen. Zahl: Wanne. Kopf: Leben.
    Ich öffnete die Kladde.
    Erste Seite: Strichmännchen in Winterkleidung.
    Zweite Seite: Strichmännchen in Sommerkleidung.
    Dritte Seite: Strichmännchen in der Hölle plus Einkaufsliste –
    „Tofu!, Äpfel, Geschenkpapier“.
    Vierte Seite: „Sa. zum Müggelsee? Mal wieder Kino?“ Dazu ein Verdauungsbericht – "Montag: grünlich, sehr fest, starker, sehr unangenehmer Geruch. Dienstag: Verstopfung. Mittwoch: Verstopfung. Donnerstag: bräunlich, sehr fest, schmerzhaft. Darmspiegelung? P. anrufen, um Rat fragen.“
    Die ganze Kladde ein einziges Gekrakel, Geschmiere, Gefasel.
    „Hausmeister informieren“. „Warum plötzlich wieder Akne?“ „Ich nehme mir vor: Wenn A. wieder anruft, gehe ich nicht dran!“ „Ich nehme mir vor: gleich nach dem Essen spülen!“
    Kein Wort zu mir. Die Kladde enthielt sein Leben, nicht meins. Hundert Euro die Stunde, und der Scheißdarmfreak führte nicht mal Buch! Ein Psychiater, der seinen Mandanten belog!
    Holg und seine Scheißratschläge! Was war ich sauer!
    Aber der Klaus-Peter kennt keine Wut, also weg mit der Wut und weitergelesen.
    „Von Uschi Obermaier geträumt, die auf einem Telegrafenmasten im Pazifik surft – sexuelle Bedeutung?“ „Am Wochenende unbedingt Swingi-Swingi!! Jahaaa!“ Strichmännchen mit erigiertem Schwanz. Viele Strichmännchen, die um ein Lagerfeuer tanzten. Fünf Seiten mit Strichweibchen und übergroßen Mösen. Eine zweiseitige Geschichte über einen Hund, der sich in einen Schmetterling verliebte und an Darmkrebs starb.
    Und so weiter. Zwanzig Seiten Müll. Mein Psychiater, ein Fall für die Klapse.
    „Grrr“, näselte Klaus-Peter.
    Zehn, sagte die Stimme in meinem Kopf.
    Bei Sieben brannte die Kladde im Eisenbahnersiedlungskamin.
    Bei Drei stand ich an der Bushaltestelle.
    Bei minus Dreihundert stieg ich um.
    Bei minus 8455 ging die Sonne unter.
    Bei minus 12.023 spritzte ein bisschen Wasser auf meine Hose, ein letzter weinerlicher Gurgler erklang.
    Und dann, als ich in der Dunkelheit die Bergmannstraße hinaufging, wusste ich wieder, wer Karl-Heinz war. Ich spürte ihn wieder. Karl-Heinz, das war der Ausknipser, und mehr musste ich nicht wissen. Scheiß auf Geburtstag, auf Geschenke, auf Eltern, auf Herkunft, braucht doch kein Mensch.
    Karl-Heinz, der Ausknipser.
    Und all die anderen, den Thilo Müller, den Albert, den Klaus- Peter, die gab es nur, weil es Karl-Heinz gab. Der war das Zentrum. Das Zentrum und der Schöpfer einer eigenen kleinen Welt.
    Sein eigener Gott.
    Tiefe Zufriedenheit überkam mich. Holgs Ratschläge, dachte ich.
    Sind die am Ende doch gar nicht so schlecht gewesen.
    Und mein Psychiater irgendwie auch nicht.

Surfen
    Michel Birbæk
    Irgendjemand labert neben mir, das Leben is nich fair, ich mach ihn platt. Er wehrt sich nich groß, wozu auch, ich weiß wie man jemand plattmacht. Der Typ ist nich in Form, also mach ichs sachte, bin ja kein Arsch, aber ins Ohr labern lass ich mich nich. Der Typ bleibt unten und ich trink mein Bier, aber dann wird ich sauer, denn ich will nich, aber irgendwie weiß ich das der Recht hatte mit dem Leben und so. Ich habs nicht so mit Entschuldigung, aber Respekt, Mann, der hats begriffen, das Leben is echt nich fair.
    Es kotzt mich an, echt, ich bin nich sicher, ob jemand in dem Laden gemerkt hat, dass der Typ Recht hatte und dass ich das nicht gleich gecheckt hab, also geh ich noch mal auf ihn drauf, nix Persönliches, is ja auch egal, jedenfalls, keiner sagt was, aber alle gucken rüber, doch ich lasse mich nicht gerne anglotzen, also schau ich mal rum und alle gucken weg. Alle, außer eine. An der Theke steht ne Schlampe mit zwei Loser. Die Schlampe lächelt zu mir rüber. Ich kenn sie, obwohl ich sie noch nie sah. Ich geh los, dabei tret ich aus Versehen auf den Typen, der immer noch unten liegt, der hatte Recht, das Leben is echt nich fair, Mann, Respekt.
    Ich bleib vor der Schlampe stehn und guck die beiden Loser neben ihr an und sach nix, aber das brauch ich auch nich, die lösen sich fast in Luft auf. Ich mach sie platt, ich hasse solche Typen, ich mein, wo kommen wir hin, wenn keiner nicht seine Schlampe verteidigt?
    Als die unten sind, zeige ich auf die Tür. Die Schlampe geht

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