Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
es ein solches … also ein solches ‚fiktives Universum‘, wie ihr sagt, bisher nicht gegeben.“
„Nein, ganz sicher nicht“, Hennings Augen leuchteten, „sonst würde Felix das alles auch nicht finanzieren. Für ihn ist das gerade der Hauptreiz an der Sache: Es ist etwas vollkommen Neues. Sicher, ein paar Fernsehserien sind bereits in diese Richtung gegangen: Dallas zum Beispiel, die haben auch ein paar hundert Folgen lang eine durchgehende Geschichte erzählt … oder diverse Soaps und Telenovelas … Aber mit dem, was wir hier machen, kommen diese Projekte bei weitem nicht mit.“
„Und wieso nicht?“
„Die Bandbreite, die wir bespielen, ist einfach unendlich viel größer. Ganz abgesehen davon, dass wir nicht mit dreihundert Folgen oder so rechnen, sondern mit zehn- oder fünfzehntausend … “
Till verschränkte die Hände an seinem Hinterkopf. Das könnte in der Tat spannend werden …
„Du musst dir das wirklich erstmal von Malte zeigen lassen“, fuhr Henning fort. „Es gibt inzwischen ja die unterschiedlichsten Bereiche in dieser fiktiven Welt. Es gibt einen riesigen Bereich für Kinder und Jugendliche, dort werden sehr gern auch die Geschichten der Figuren in jungen Jahren erzählt, dann gibt es ein ganzes Teiluniversum, das vor allem auf den Geschmack von Frauen zugeschnitten ist, einen Bereich, der für Leute unter achtzehn Jahren nicht zugänglich gemacht werden darf … es gibt Erzählstränge, die absichtlich ganz schlicht gehalten sind, ebenso wie solche, die höchst anspruchsvoll sind - “
„Moment“, Till schwirrte der Kopf. „Was heißt ‚Bereich‘, ‚Erzählstränge‘?“
Henning setzte sich, sichtlich angestrengt, in seinem Sessel zurecht. „Wie gesagt, Till“, wieder der Blick auf die Uhr, „ich kann vielleicht fünf - oder zehn Minuten zu spät kommen, aber ich habe sicher nicht die Zeit, dir jetzt alles ganz genau zu erklären.“
„Nicht ganz genau.“ Diesmal legte auch Till eine gewisse Schärfe in seine Stimme. Felix hatte ihn engagiert und Henning beauftragt, ihn einzuführen. Es kam nicht in Frage, dass der ihn jetzt völlig im Dunkeln ließ. „Wie soll ich mir das denn vorstellen? Es gibt verschiedene Spin-offs - oder was?“
„Ja … im Prinzip ist es genau das. Wenn du so willst, gibt es einen erzählerischen Kernbereich mit den wichtigsten Figuren - die hat Xaver Bentheim in seinen Manuskripten aus den späten neunziger Jahren bereits gesetzt. Aus diesen Figuren haben wir dann das weiterentwickelt, was wir heute den Hauptstrang oder eben den Kernbereich des Universums nennen.“
„Ist der denn abgeschlossen, wenigstens in der Planung - dieser Hauptstrang?“
„Nein!“ Henning schien zu denken, dass Till wirklich begriffsstutzig war. „Natürlich nicht. Das geht auch gar nicht. Die Nebenstränge sind ja nicht vollkommen von dem Hauptstrang abgekoppelt. Erst wenn auch alle Nebenstränge bis zum Ende durchgeplant sind, wird sich zeigen, wie der Hauptstrang selbst enden kann. Das hängt schließlich alles miteinander zusammen.“
Ja, klar, dachte Till.
„Nochmal“, fuhr Henning fort, „der Hauptstrang ist so etwas wie ein Roman für Erwachsene, nur wesentlich länger - “
„Wie lang?“
Henning lächelte. „Darüber haben wir auch schon viel gerätselt. Er ist aufgeteilt in einzelne Folgen … schwer zu sagen. Vielleicht achthundert, neunhundert - “
„Achthundert, neunhundert Seiten?“ So wenig?
„Achthundert- oder neunhundert tausend Seiten.“
Till starrte Henning an. War er verrückt geworden?
„Wie gesagt, schwer zu sagen. Es steht auch noch gar nicht fest, ob das Hauptgewicht der Geschichte wirklich als TEXT veröffentlicht werden soll - oder ob nicht doch versucht werden soll, eine Kooperation mit einer Film- oder Fernsehproduktion aufzubauen … wirklich, das ist nur eine von vielen tausend Detailfragen, die offen sind … Im Moment ist für Felix die Form der Darstellung - ob nun Text oder Film zum Beispiel - erstmal nicht so wichtig. Für ihn kommt es zunächst darauf an, die Geschichte zu finden … also nicht nur im Großen und Ganzen sondern schon auch mit einer gewissen Genauigkeit.“
„Okay … “ Langsam bekam Till das Gefühl, Henning würde ihm auch dann, wenn er noch zwei Wochen lang auf ihn einreden würde, nicht abschließend erklären können, was sie hier eigentlich machten.
„Gut … und das Herz dieser Geschichte oder vielmehr dieses Geschichtensystems ist natürlich der Hauptstrang“, stellte
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