Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
Eindruck, den auch die Mutter von Max und Lisa, Julia Bentheim, teilt: Zunehmend scheint sich ihr Mann von ihr abzukapseln. Wann immer sie versucht, mehr von ihm zu erfahren, speist er sie mit merkwürdigen Ausflüchten ab und behauptet, dass die Arbeit, die sein Verleger Felix von Quitzow von ihm verlange, ihn an die Grenzen seiner Kräfte und seines Verstandes führe.
Derweil spitzt sich der Konflikt zwischen Max und seinem Vater zu. Ohnmächtig müssen Till, Lisa und Julia mit ansehen, wie Max beginnt, das Essen zu verweigern. Als Till Max im Krankenhaus besucht, in das Xaver seinen Sohn hat bringen lassen, beschwört Max seinen Freund: In den Fundamenten des Krankenhauses gibt es eine geschlossene Abteilung, in die er sich verirrt habe. Dort würden keine Patienten verarztet - dort würden aus Menschen unmenschliche Wesen geformt! Und genau das - insistiert Max - sei auch mit seinem Vater geschehen: Sie haben ihn ausgehöhlt, umgewandelt, verändert! Dieser Mann ist nicht mehr sein Vater, etwas habe sich seines Körpers bemächtigt - ein fremdartiges Wesen, gegen das sich Max mit aller Kraft zur Wehr setzen müsse.
Till begreift, dass sein Freund von dem Wunsch beseelt ist, seinen Vater zu töten. Ein Wissen, das Till in einen schweren Konflikt stürzt: Darf er zulassen, dass Bentheim etwas zustößt - dem Mann, der ihn in seiner Familie aufgenommen hat? Darf er auf der anderen Seite Max verraten, den besten Freund, den er vielleicht jemals hatte?
Verzweifelt sucht Till das Gespräch mit Max‘ Vater und erfährt, dass die rätselhaften Aufzeichnungen, auf die sie im Keller unter seinem Arbeitszimmer gestoßen sind, nichts anderes seien, als Vorarbeiten zu einem Buch. Schon meint Till erleichtert aufatmen zu können - all ihre Verdächtigungen waren also nur Einbildungen, Missverständnisse! - da wird er von Bentheim mitgenommen auf einen Ausflug in den Untergrund der Stadt - einen Ausflug, bei dem der Mann unentwegt auf Till einredet und ihm von Dingen berichtet, die der Junge weder begreifen noch beurteilen kann.
Instinktiv spürt Till, dass er sich gegen Bentheim wehren muss. Der aber hetzt nur immer weiter - bis Till sich nicht mehr anders zu helfen weiß und ihn in seiner Verzweiflung in einem günstigen Moment in einen unterirdischen Verschlag sperrt. Als Till Stunden später mit Max dorthin zurückkehrt, um Bentheim zu befreien, ist der Mann tot: Wie ein Rasender hat er sich gegen die Tür des Verschlags geworfen und dabei den Schädel eingerammt.
Zehn Jahre später …
Bentheims Tod hat Till und die Familie, in der er erst kurz zuvor Aufnahme gefunden hat, wieder auseinandergerissen. Max hat Till gestanden, dass er gelogen hat, als er behauptet hat, im Krankenhaus auf eine geschlossene Abteilung gestoßen zu sein - gelogen aus nur einem Grund: Um Till gegen seinen Vater Xaver aufzuhetzen. Aber auch Tills Freundschaft mit Lisa ist überschattet worden, denn er hat mitbekommen, wie sie sich auf die irritierende Intensität eingelassen hat, mit der Bentheims Verleger Felix von Quitzow sie nach dem Tod ihres Vaters umschwirrt hat.
Zehn Jahre sind seit dem Tod von Max‘ Vater vergangen, als Till, Max und Lisa bei der Hochzeit der jüngsten Bentheim-Tochter Betty in Berlin wieder aufeinandertreffen. Aus den ehemals Elf- und Zwölfjährigen sind junge Erwachsene geworden. Die Hochzeit ist ein großes Familienfest, bei dem Till, der inzwischen in Kanada ein Studium begonnen hat, rasch wieder im Kreis der Familie und Freunde von Max und Lisa Anschluss findet.
Henning Fahlenkamp ist der junge Mann, den Betty heiratet: Ein ebenso aufstrebender wie tüchtiger Mitarbeiter in der Firma von Felix von Quitzow. Henning, Malte und Quentin - alle drei ungefähr so alt wie Max und Till - arbeiten in Felix‘ Unternehmen zusammen. In einer langen Berliner Nacht, die Max und Till mit ihnen verbringen, beginnt Till zum ersten Mal zu ahnen, was Felix und seine Entourage in Wirklichkeit umtreibt: Es ist die Überzeugung, dass der menschliche Wille nur eine Illusion ist. Schlagartig wird Till an die düsteren Worte erinnert, mit denen Bentheim kurz vor seinem Tod auf ihn eingeredet hat. War es das, was Max‘ Vater gemeint hatte: Dass der Glaube, wir seien frei, nichts anderes ist als eine Täuschung? Dass Gut und Böse, Schuld und Verantwortung, Wahrheit und Lüge nichts anderes sind als raffinierte Konstrukte, um die wahre Bestimmung des Menschen zu verschleiern?
Max will von Felix‘ Ideen nichts wissen.
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