Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
Quentin sich nur ausgedacht hatte, was er ihm am Ausgang des Clubs entgegen geschleudert hatte: Dass Nina von Felix aufgefordert worden war, ihn, Max, kennenzulernen!
Er wandte sich mit der Flasche und zwei Gläsern in den Händen wieder zum Gehen. Er musste sich entscheiden: Wenn er nichts mit ihr zu tun haben wollte, sollte er sie so schnell wie möglich vor die Tür setzen!
„Da bist du ja“, rief Nina ihm entgegen, als Max zurück ins Wohnzimmer kehrte. Kaum war ihr Blick jedoch auf sein Gesicht gefallen, verschattete sich ihre Miene. „Soll ich lieber wieder gehen?“
„Nein!“ Es rutschte Max heraus, bevor er darüber nachdenken konnte. „Geh nicht!“
Vorsichtig legte er Flasche und Gläser auf das Sofa, sah sie an, wie sie auf der Kante des Polsters hockte und zu ihm aufblickte. Im nächsten Moment lag ihr Hinterkopf in seiner Hand. Er drückte sie sanft zu sich, beugte sich herab und berührte ihre Lippen. Sie waren von einer kühlen Festigkeit, die etwas in seinem Inneren schmelzen ließ. Max fühlte, wie ihr schlanker und doch runder Körper sich an ihn schmiegte.
‚Sie macht es nur für ihn!‘, blitzte es in seinem Kopf auf, während sie in seinen Armen lag, als wäre sie dafür geschaffen. Unwillkürlich bog er sie nach hinten, so dass sie auf dem Sofa zu liegen kam. Wie aus einem Traum erwachend, schlug Nina die Augen auf.
Da sah er es. Ihr Blick war nicht verschlagen, nicht spöttisch und auch nicht frech. Sie schaute ihn vielmehr an, als wollte sie sagen: Tu mir nicht weh, ich bin sehr zerbrechlich.
‚Felix schickt dich?‘
Doch statt sie danach zu fragen, vergrub Max seinen Mund an ihrem Ohr, fühlte ihre Haare über sein Gesicht fallen - und wurde fortgetragen von dem Bedürfnis, sie zu entkleiden. Ihr Körper spannte sich unter seinem Griff - dann kniete er sich vor sie und öffnete den Verschluss ihres Rocks.
4
Als Nina erwachte, lag sie neben Max auf dem Boden. Er schlief und war nackt wie sie. Ihre Anziehsachen und seine Jeans waren in dem Zimmer verstreut. Durch das Fenster hindurch war die Nacht zu sehen. Vorsichtig schob Nina die Wolldecke beiseite, die Max am Abend noch über sie gebreitet hatte, richtete sich auf und deckte ihn wieder zu. So leise wie möglich stand sie auf.
Es dauerte ein bisschen, bis sie sich in der Wohnung zurechtgefunden hatte. Max gehörte nicht nur der Seitenflügel, in den man vom Wohnzimmer aus gelangte, sondern auch der Seitenflügel auf der anderen Seite des Hauses. Dort befanden sich auch sein Schlafzimmer und ein geräumiges Bad, das mit einem Mosaik aus winzigen Kacheln in allen möglichen Farben von dunkelgrün bis dunkelblau ausgekleidet war. Ohne lange zu zögern, drehte Nina die Dusche auf, stellte sich unter den heißen Wasserstrahl und brauste sich ab. Dann nahm sie ein riesiges, hellgraues Handtuch vom Haken an der Tür, schlang es um ihren Körper und sah sich in Max‘ Schlafzimmer um.
Als erstes fiel ihr ein begehbarer Schrank auf, dessen zum Teil verspiegelte Türen aufgeschoben waren. Dahinter hingen endlose Reihen von Oberhemden, Jeans, Anzügen, Krawatten und T-Shirts. Nina zog eines der weißen Oberhemden vom Bügel, ließ das Handtuch auf den Boden gleiten und warf das Hemd über. Es war ihr viel zu groß, die knopflosen Ärmel, die mit Manschettenknöpfen verschlossen werden mussten, hingen bis über ihre Hände. Aber der weiße Stoff brachte die Tönung ihrer Haut und die dunkle Farbe ihrer Haare wunderbar zur Geltung.
Nachdenklich schlenderte sie zurück ins Schlafzimmer. Erst jetzt bemerkte sie, dass Max sein Bett in der Mitte des Zimmers mit Drahtseilen an der Decke aufgehängt hatte, so dass es leicht hin- und herschwang, als sie sich darauf setzte. Das Bettzeug war aus grauem, beinahe hartem Baumwollstoff, der gut zu den anderen Grauschattierungen des Raums passte. Der Nachttisch hing, wie das Bett, ebenfalls an Drahtseilen von der Decke: Eine einfache, quadratische Stahlplatte, die sich eiskalt anfühlte, als Nina sie berührte.
Ihr Blick fiel auf die Gegenstände, die auf dem Nachttisch lagen. Obenauf ein Taschenbuch mit einem schreienden Cover - offenbar ein italienischer Thriller aus den siebziger Jahren. Darunter lugten einige Blatt Papier hervor, die mit einer kleinen, entschlossenen Schrift bedeckt waren und von denen Nina annahm, dass Max sie beschrieben hatte. Für einen Moment war sie versucht zu lesen, was er notiert hatte, dann aber ließ sie das doch lieber blieben und streckte sich stattdessen
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