Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
er sich vorkommt wie ein Kater, der sich in einen anderen Kater in einem Kampf verbissen hat - während ihr nächtliches Gekreisch weit über die Höfe hinweg zu hören ist. Er spürt, wie Felix sich wehrt, wie seine Hände sich in Tills Haar krallen, aber Till ist jünger als er, biegsamer und kräftiger.
Er hat mit dem Rücken zu Julia am Fenster gestanden und in den Vorgarten hinuntergeblickt, als er sie hat kommen sehen. Den Wagen, der die Straße entlang gerollt ist - und die Erschütterungen, die sich unter dem Rasen, unter dem Pflaster abgezeichnet haben.
Eine junge Frau ist aus dem Wagen gesprungen, nachdem er gehalten hat, und am Koi-Teich vorbei auf das Haus zugeeilt. Till ist so abgelenkt gewesen, dass er sie beinahe nicht erkannt hätte, obwohl er sie als Mädchen an genau der gleichen Stelle vor zwölf Jahren zum ersten Mal gesehen hat - und seitdem kein Tag vergangen ist, an dem er nicht hundertmal an sie gedacht hat.
„Mama? Mama!“ Lisas Stimme hat durchs Haus geschallt, während sie die Treppe emporgestürmt ist.
„Till!“ Lisa hat sich nicht lange damit aufgehalten, ihn zu begrüßen. Ganz offensichtlich hatte sie nicht vergessen, was im Restaurant vor wenigen Stunden erst zwischen ihnen vorgefallen war - aber dafür hatte sie jetzt keine Zeit. „Hilfst du mir bitte?“ Sie hat zu ihrer Mutter genickt. „Wir müssen sie hier herausbringen, bevor es zu spät ist!“
Julia ist leicht gewesen wie eine Feder. Till hat sie über die Treppe, durch die Halle und den Vorgarten bis hinaus auf die Straße und zu dem Auto getragen, das mit laufendem Motor am Bürgersteig gestanden hat.
Vorsichtig hat er Julia zu Betty auf die Rückbank gelegt. Und als er sich wieder aufgerichtet hat, ist sein Blick auf Felix gefallen, der aus dem Wagen gestiegen war.
Für einen Moment haben sie sich gemustert und Till hatte das Gefühl, er würde diesen Mann zum ersten Mal so sehen, wie er wirklich war. Im nächsten Augenblick hat er durch die Arme, die Felix abwehrend nach vorn gestreckt hatte, hindurchgegriffen und ihn nach oben gerissen, als würde er einen kleinen Baum entwurzeln.
„Du hast zugelassen, dass Armin stirbt!“
Till achtet nicht auf das, was um sie herum geschieht, hört kaum das Brausen und Rauschen, das sich zu einem schrillen Zischen und gellenden Pfeifen steigert. Er sieht nur, wie die Fahrbahn, auf der sie stehen, aufbricht, aufreißt wie ein Rachen - dass die Zähne in diesem Schlund aus Gestalten bestehen, die aus der versteckten Stadt nach oben durchbrechen. Ein Maul so groß wie der Abgrund, den Bentheim beschrieben hat, als Till ihn in seinem Arbeitszimmer belauscht hat.
Die ganze Straße platzt auf, als hätte ein Rohrbruch die Erde darunter seit Wochen unterspült. Ein Riss, der sich bis in die Vorgärten hinein fortsetzt - und das Krachen, das hinter Till dröhnt, ist das Krachen in den Mauern der Häuser.
Er spürt, wie sich Felix‘ Hände in seine Wange krallen, sieht, wie die Rümpfe der Gestalten aus dem Loch klettern, das in dem Asphalt klafft. Noch werden sie festgehalten, noch stecken sie halb in der Erde, weil der Boden, aus dem sie sich herauszuarbeiten versuchen, nachgibt und sie immer wieder zurückrutschen, darin versinken, sich erneut daraus hervorarbeiten müssen.
Doch ihre Arme greifen schon aus der Erde und es wird ihn gelingen, sich aus dem Schlund zu winden.
Da explodiert Tills Kraft und er schleudert den zappelnden Leib, den er festhält, von sich.
Es kommt ihm so vor, als würde er skalpiert, als Felix‘ Krallenhände sein Haar büschelweise mit sich reißen.
Der Schrei, den Felix ausstößt, scheint für einen Moment das tosende Brodeln, das alles durchdringt und überschwemmt, zu übertönen. Till sieht Felix’ Gesicht, sieht den sich im Flug drehenden Körper, sieht, wie Felix auf den Leibern aufschlägt, die aus dem Erdloch emporgepumpt werden. Sieht, wie Felix zwischen sie rutscht, wie sein Blick sein Entsetzen spiegelt, wie sein linker Arm und die Beine schon zwischen den rudernden Bewegungen der Gestalten verschwinden, sein Kopf hinterhergezogen wird und nur noch der Arm hervorragt - die Hand, die heraussteht aus dem Leibermeer wie ein gespreizter Dorn - bis auch sie versinkt, verschluckt wird, verdaut von dem Leibergemenge, das aus dem Erdloch wie ein Strudel hervorgequirlt wird.
BERLIN GOTHIC
Epilog
1
Berlin geht unter. So wie es schon einmal untergegangen ist, als die Bomben vom Himmel gefallen sind und die Stadt
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