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Berliner Aufklaerung - Roman

Berliner Aufklaerung - Roman

Titel: Berliner Aufklaerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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geführt werden? Muß dies die Öffentlichkeit schweigend dulden? Ich sage: nein. Wenn die Gesellschaft herausgefordert wird, hat sie nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, mit aller Deutlichkeit Stellung zu beziehen. Öffentliche Provokationen verlangen nach öffentlichen Antworten.«
    Anja verfolgte mehrere Regentropfen, die vor ihr an der Fensterscheibe hinunterkrochen.
    »Die Liste der Abirrungen des modernen Subjekts ist lang, doch sind wir hier zusammengekommen, um ein spezielles Problem zu erörtern: das bereits genannte Problem der Homosexualität. Ich höre immer wieder Stimmen, die sich wundern, daß wir Kommunitaristen, die wir die antiken Lebensformen ehren, die sogenannte ›Männerliebe‹ ablehnen. Doch diese Verwunderung ist naiv. Selbstverständlich können wir heute nicht einfach zu einem Modell des klassischen antiken Lebens zurückkehren. Zweitausend Jahre Christentum haben uns zu entscheidend geprägt, als daß uns dieser Weg möglich wäre. Wir müssen die Antike im Geiste des Christentums reformulieren, antikes Gemeinschaftsethos und christliche Morallehre zusammendenken.«
    Anja schrak hoch. Etwas war vor ihr gegen die Fensterscheibe geknallt. Aus unmittelbarer Nähe, nur durch das Glas von ihr getrennt, blitzten sie zwei stechende, schwarze Schwanenaugen an.

FÜR-ANDERE-SEIN
    Auf Anjas Klopfen antwortete ein ungnädiges, leicht nasales »Ja, bitte«. Maier-Abendroth saß mit übereinandergeschlagenen Beinen, in grauer Cordhose und weinrotem Kaschmirpullover an seinem Schreibtisch. Als Anja die Tür öffnete, machte er mit seinem Oberkörper eine angedeutete Achteldrehung in ihre Richtung, musterte sie flüchtig über seine Lesebrille hinweg und drehte sich wieder zurück. »Ich habe jetzt keine Sprechstunde. Lassen Sie sich nebenan bei meiner Sekretärin einen Termin geben.«
    Seine Rede begleitete Maier-Abendroth mit einer Handbewegung, mit der man Ungeziefer verscheucht. Im Raum hing der penetrante Geruch von Davidoff.
    »Mein Name ist Anna Sommer. Ich bin Journalistin bei der Wochenpost und plane, dort ein Portrait über Sie zu schreiben.«
    Diesmal machte Maier-Abendroth eine richtige Halbdrehung samt seines Stuhls, süßliches Lächeln breitete sich – ausgehend von den spitzen Mundwinkeln – über sein Gesicht. »Ja, das ist selbstverständlich etwas anderes. Entschuldigen Sie den etwas schroffen Empfang, Frau – «
    »Sommer«
    »Frau Sommer, aber die Studenten rennen einem hier ununterbrochen die Tür ein, wenn man sich nicht dagegen wehrt. – Sie verstehen schon.« Mit einem kurzen Hüsteln, das auch ein gezwungenes Lachen sein
konnte, stand Maier-Abendroth auf und ging Anja mit ausgestreckter Hand entgegen, um sie mit einem kräftigen Händedruck zu begrüßen. »Aber nehmen Sie doch bitte Platz, Frau Sommer!«
    Anja setzte sich in einen der Institutssessel, die auch in Rebeccas Zimmer rumgestanden hatten.
    »Darf ich Ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten, meine Sekretärin kann sofort welchen machen.«
    »Nein danke, ich habe nicht viel Zeit. Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    Anja riß die Cellophanhülle einer neuen Packung Prince Denmark auf. Sie verspürte das dringende Bedürfnis, Maier-Abendroths Duftmarke etwas entgegenzuhalten.
    »Aber nein, natürlich nicht, meine Sekretärin soll Ihnen nur schnell einen Aschenbecher bringen. Ich selber habe mir nämlich das Rauchen abgewöhnt.« Auf italienischen Ledersohlen eilte Maier-Abendroth zu der Verbindungstür zum Nebenzimmer. »Frau Schreiber, einen Aschenbecher bitte!«
    Anja hatte bereits die ersten Züge geraucht, als die Sekretärin mit einem handgetöpferten Tonaschenbecher in Maier-Abendroths Zimmer kam. Behutsam zog Frau Schreiber die Tür wieder hinter sich zu, nachdem sie den Aschenbecher vor Anja auf den Couchtisch gestellt hatte.
    »Womit kann ich Ihnen dienen, Frau Sommer?« Maier-Abendroth setzte sich Anja gegenüber. Er warf leicht den Kopf zurück, wobei er mit der rechten Hand eine elegante Bewegung durch seine silbermelierte, in weicher Welle zurückgekämmte Haarmähne machte.
    »Ich plane eine Reihe, in der bedeutende westdeutsche
Philosophen unseren Mitbürgern in den neuen Bundesländern vorgestellt werden sollen. Es handelt sich um ganzseitige Portraits mit Interview, in denen der jeweilige Philosoph als Wissenschaftler, aber auch der Mensch dahinter betrachtet werden soll. Wie Sie sich denken können, besteht aufgrund der derzeitigen Orientierungsdefizite im Osten ein starkes Interesse

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