Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berliner Aufklaerung - Roman

Berliner Aufklaerung - Roman

Titel: Berliner Aufklaerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
Vom Netzwerk:
recht? Ich würde so gegen vier vorbeikommen.«
    »Sechzehn Uhr paßt mir ganz ausgezeichnet, Frau Sommer.«
    Anja stand auf. »Dann auf Wiedersehen bis Samstag, Herr Maier-Abendroth.«
    Sie verließ das Zimmer, bevor Maier-Abendroth zu einem weiteren warmen Händedruck aufspringen konnte.

STRUKTURWANDEL DER ÖFFENTLICHKEIT
    Obwohl es für den Berliner Hochbetrieb noch zu früh war, glich die Nachtbar »Moskau« bereits einer Hexenküche, als sich Anja um kurz nach zehn an dem Vorraum und den Toiletten vorbei in den großen, flachen Raum schob. Eine Welle aus hart rhythmisiertem Techno-Lärm und dem Dunst erhitzter Menschenmassen brandete ihr entgegen. Anja blieb einen Moment stehen und schloß die Augen. Sie ließ sich vom Sog des Raumes erfassen, einzelne spitze Laute begannen, aus der Klangmauer herauszustechen, der Einheitsdunst zerfächerte sich in verschiedene Gerüche, die stärker wurden, sich mit anderen überlagerten und wieder verschwanden. Die gleißenden, rasch zuckenden Lichtblitze schossen ihre Leuchtspuren unter Anjas geschlossene Augenlider. Sie fühlte, wie Rebecca, Schreiner und das Institut zu Staub zerstampft wurden.
    Als Anja die Augen wieder öffnete, fand sie sich unmittelbar vor einer Sitzbank mit roten Kunstlederbezügen. Sie ließ sich fallen. Es dauerte, bis sie in dem Chaos aus Licht und Bewegung Konturen ausmachen konnte. Das vom Licht-Staccato zerhackte Gewühl aus nackten Armen, Glatzen und schwarzen Lederhosen setzte sich vor ihr zu zwei Körpern zusammen. Sie schienen miteinander verwachsen, bis ein Paar üppiger Arschbacken in schwarzledernen Hot pants sich zwischen sie drängte. Anja verfolgte die Arschbacken nach
unten, über die feisten, in schwarze Nylonstrumpfhosen gehüllten Oberschenkel bis zu den High Heels mit goldenen Absatzspitzen hinab. Aus einer Kehle irgendwo weiter oben perlten unablässig dunkle Lachsalven, eine künstliche blonde Lockenmähne wurde Anja mehrmals ins Gesicht geworfen. Von Susanna war weit und breit nichts zu sehen, aber das sagte nichts. Susanna war klein und zierlich.
    Um den beginnenden Trancezustand zu verscheuchen, schüttelte sich Anja einmal kurz, dann stand sie auf und kämpfte sich zur Bar durch. Dort bestellte sie ein Bier. Sie verfolgte mit gedämpfter Aufmerksamkeit das gemäßigtere Treiben im hinteren Teil des Raumes. Die kleinen roten Stehlampen verbreiteten kein Licht. Niedrige Messinggeländer schnörkelten sich durch den Raum. An drei der flachen runden Tische saßen kahlgeschorene Mädels in Bomberjacken und Springerstiefeln, im Anblick ihrer Bierflaschen versunken. Auf roten Kunstledersesseln und -sofas räkelten sich gepiercte Jungs mit nackten Oberkörpern, Ringen durch die Brustwarzen und Druckknöpfen in den Augenbrauen. An einem Messinggeländer in Anjas Nähe lehnte mit schmachtendem Blick eine blasse Göre im schwarzen Spitzenpulli. Anja konnte diese Pseudolesben, die sich von irgendeiner Frauenzeitschrift hatten erzählen lassen, daß lesbisch jetzt in sei, auf den Tod nicht ausstehen. Für einen Moment zog sie eine Blitzvergewaltigung auf dem Damenklo in Erwägung. Gewöhnlich reichten bereits zehn kräftige, geübte Finger aus, um diese Brigitte -Lesben wieder in die Betten ihrer braven Jungs zurückzutreiben. Aber es hätte ihr heute keinen Spaß gemacht.
    Von Susanna war immer noch nichts zu sehen, dafür
entdeckte Anja an einem Ecktischchen Ulf mit seinem Badegast. Sie hätte sich denken können, daß die beiden die schwul-lesbische Neueröffnung dieser ehemaligen Stasi-Luxus-Schenke nicht auslassen würden. Ulf hatte Anja ebenfalls gesichtet und bedeutete ihr durch wildes Rudern mit den Armen, daß sie herkommen solle. Im hinteren Teil der Bar wurde der Lärm etwas schwächer, und kaum hatte sie sich in Rufnähe zu den beiden vorgearbeitet, quiekte Ulf auch schon aufgeregt los. »Anja, rat’ mal, wer heut’ nachmittag für dich da war. Da kommst du nie drauf.«
    Sie ließ sich in den roten Sessel neben Peer fallen, der sie mit einem freundlichen Kopfnicken begrüßte, so als ob es nie einen morgendlichen Zwischenfall mit Badewanne gegeben hätte. »Honecker?«
    »Quatsch«, Ulf legte eine triumphale Kunstpause ein. »Die Bullen. Die haben gesagt, du wärst heut’ nicht zur Aussage erschienen.«
    In den hinteren Regionen von Anjas Gehirn begann etwas, sich zu erinnern. »Und? Haben sie sonst noch was gesagt?«
    Ulf setzte eine wichtige Miene auf und schob den Brustkasten nach vorne. »Du sollst morgen um neun Uhr

Weitere Kostenlose Bücher