Berliner Aufklaerung - Roman
freiwillig zu ihnen kommen, ansonsten holen sie dich gewaltsam.«
Anja nahm einen tiefen Schluck aus der Bierflasche. Ulfs aufgeregte Stimme summte in ihren Ohren. »Anja, ich finde, es wird Zeit, daß du uns endlich darüber aufklärst, was hier gespielt wird. Schließlich habe ich seit heute indirekt mit dem Fall zu tun.«
Anja fragte sich, in welchem billigen Vorabend-Krimi Ulf diesen Satz aufgeschnappt hatte. Abwesend begann sie, mit dem kleinen Finger in dem Hals ihrer
Bierflasche zu spielen. Sie wußte, daß dies eine ungute Angewohnheit war. Das letzte Mal, daß sie sich mit einem unauffälligen, aber kräftigen Schlag an die Tischkante von einer Flasche hatte befreien müssen, war noch nicht allzu lange her, aber das Glas war angenehm glatt und kühl. Anja schloß einen Moment die Augen. Sie spürte, wie die Bässe der Musik in ihren Knochen vibrierten. »Meine Güte, was soll schon sein. Es ist alles halb so spannend. Ich hab’ mir heute zwei Philos vorgenommen. Schreiners Feind hat mich für eine philosophische Hochstaplerin gehalten, und Schreiners Freund will demnächst die Polis aller aufrechten Christen ausrufen. Weiter ist nichts passiert.«
»Wer waren denn die zwei?«
Anja ließ eine leere Packung Prince Denmark auf das Tischchen fallen. »Hat einer ’ne Zigarette für mich?«
Peer schob Anja seine Packung Marlboros hin, und Anja bediente sich, wenngleich sie dieses Schwulen-Kraut im Grunde nicht ertragen konnte. Nachdem Peer ihr auch noch Feuer gegeben hatte, inhalierte sie einige halbherzige Züge. »Tu doch nicht so, als ob du irgendwas damit anfangen könntest, wenn ich dir die Namen von Philos nenne.«
»Wieso? Schließlich hab’ ich auch mal studiert.«
Anja verzog spöttisch die Mundwinkel. »Ich glaub’, Studium fängt erst an, wenn man es länger als vier Wochen durchhält. Wie oft warst du bei den Kunstfritzen? Fünf Mal, sechs Mal?«
Ulf zog eine beleidigte Schnute. »Du brauchst gar nicht so überheblich tun, ’n Abschluß hast du ja auch nicht.«
Anja wandte sich wieder dem Hals ihrer mittlerweile
leeren Bierflasche zu. Das Glas hatte sich auf Körpertemperatur erwärmt. »Also wenn’s dich glücklich macht … Zuerst war ich bei Wogner. Der hat zwar fast ’nen Herzinfarkt gekriegt, als ich den Namen Schreiner bloß erwähnt habe, aber ich denke, er ist zu klapprig, um jemanden zu zerlegen. Alleine kann es der sicher nicht gewesen sein.«
Ulf hatte sich in entspannte Zuhörerhaltung begeben und lehnte mit Schlafzimmerblick an Peers Schulter. Anja registrierte, daß sie Peers rechte Hand schon seit längerem nicht mehr gesehen hatte. »Am Nachmittag war ich bei Willi Maier-Abendroth. War angeblich der einzige Freund, den Schreiner an diesem Institut noch gehabt hat. Ich frage mich nur, ob der weiß, daß Schreiner schwul war. Er ist nämlich der festen Überzeugung, daß sich die Gesellschaft nun endlich gegen homosexuell Verirrte wehren sollte.«
Ulf kuschelte sich weiter an Peers Achsel. »Wenn die Philosophen nichts zu tun haben, als sich so ’nen Quatsch auszudenken, dann –, dann – « Offensichtlich fiel ihm gerade nicht ein, was dann wäre, deshalb griff er nach seiner leeren Bierflasche und trank einen selbstbewußten Schluck.
Anja lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Sie fand, daß Susanna jetzt langsam kommen könnte, es war bestimmt schon zwanzig nach zehn oder halb elf, und das Gefummel der beiden hier begann, sie ernsthaft nervös zu machen.
Während Peers linke Hand ebenfalls unter dem Tisch verschwand, widmete sich sein Mund Ulfs Ohrläppchen. Mit dem gewissen zerfließenden Schmelz in der Stimme wandte sich Ulf wieder an Anja. »Ja und, was is’ mit diesem Maier-Abendroth sonst so los?«
»Ulf, deine Fragerei nervt. Könntest du vielleicht mal fünf Minuten die Klappe halten?«
Während dieser seinen schönsten Schmollmund aufsetzte, ließ Peer sein Ohrläppchen wieder los. »Sag mal, dieser Maier-Abendroth ist nicht zufällig schwul?«
Anja schickte einen abfälligen Blick über ihre Bierflasche. »Tut mir leid, Jungs, aber ich fürchte, ihr müßt damit leben, daß nicht alle Männer schwul sind. Außerdem hab ich doch erzählt, daß Maier-Abendroth ein Homo-Hasser ist.«
Endlich tauchten Peers Hände auf dem Tisch auf. »Na dann ist es halt ein komischer Zufall. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, daß der letzte Lover von Rudi Willi hieß. Dein Philosophen-Willi is’ nicht zufällig ein ziemlich großer Typ mit weißer Mähne, der
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