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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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kein Lügner. Er streckte die Hand aus, um mich abermals am Arm zu
    ziehen, jedoch dieses Mal hielt er inne und ergriff mit seinen schmutzigen Fingern den Ärmel meines Mantels. « Doraga (teuer) », sagte er und befühlte abschätzend den Stoff.
    Ich schüttelte den Kopf, doch der Mantel war aus schwar zem Kaschmir - ich hatte keinen Grund, einen solchen Man tel in der Sowjetzone zu tragen -, und es war zwecklos zu dis kutieren: Der Iwan löste bereits seinen Gürtel.
    «Ja hascho vaschi koit», sagte er und zog seinen sauber ge flickten Militärmantel aus. Dann ging er auf die andere Seite des Wagens, stieß die Tür auf und sagte mir, entweder gebe ich ihm den Mantel, oder er werde mich aus dem Zug wer fen.
    Ich hatte keinen Zweifel, daß er mich rauswerfen würde,

    ob ich ihm nun meinen Mantel gab oder nicht. Jetzt war ich an der Reihe, auf den Boden zu spucken.
    « Nu, njelzja (nichts zu machen) », sagte ich. « Du willst diesen Mantel? Komm und hol ihn dir, du blödes, verdamm tes swinja, du häßlicher, dummer Kretin. Komm, nimm ihn mir ab, du besoffene Mißgeburt.»
    Der Iwan knurrte wütend und nahm seinen Karabiner vom Sitz, wohin er ihn gelegt hatte. Das war sein erster Fehler. Da ich gesehen hatte, daß er durch einen Schuß aus seiner Waffe durch das Fenster dem Lokomotivführer ein Zeichen gege ben hatte, wußte ich, daß die Waffe nicht feuer bereit war. Es war ein logischer Schluß, den er einen Augenblick später sel ber zog, doch als er durchlud, hatte ich ihm bereits die Spitze meines Schuhes in die Leiste gebohrt.
    Der Karabiner rasselte zu Boden, als der Iwan sich vor Schmerz zusammenkrümmte und mit einer Hand zwischen die Beine griff: Mit der anderen landete er einen höllisch schmerzhaften Schlag auf meiner Hüfte, so daß ich kein Ge fühl mehr im Bein hatte.
    Als er sich aufrichtete, holte ich mit der Rechten aus und sah meine Faust fest von seiner großen Pfote umschlossen. Er schnappte nach meiner Kehle, und ich traf ihn mit einem Kopfstoß mitten ins Gesicht, so daß er, als er sich instinktiv an seine zwiebelförmige Nase griff, meine Faust losließ. Ich holte abermals aus, und dieses Mal duckte er sich weg und ergriff mich bei den Mantelaufschlägen. Das war sein zwei ter Fehler, aber eine kurze, verwirrte Sekunde lang begriff ich es nicht. Unerklärlicherweise schrie er auf und stolperte rückwärts, die Hände vor sich in die Luft gehoben wie ein Chirurg, der sie sich gerade gewaschen hat. Seine zerschnit tenen Fingerspitzen trieften vor Blut. Erst jetzt fielen mir die Rasierklingen ein, die ich vor Monaten für ebendiese Mög lichkeit unter die Aufschläge genäht hatte.
    Mein wirbelnder Angriff schickte ihn krachend zu Boden

    und mit dem halben Körper durch die offene Tür des schnell fahrenden Zuges. Auf seinen zappelnden Beinen liegend, . mühte ich mich ab, den Russen daran zu hindern, sich in den Wagen zurückzuhieven. Hände, die von Blut klebten, um klammerten mein Gesicht und schlossen sich dann verzwei felt um meinen Hals. Sein Griff wurde stärker, und ich hörte die Luft mit dem Geräusch einer Espressomaschine aus mei ner Kehle gurgeln.
    Ich schlug ihn heftig gegen das Kinn, nicht einmal, son dern mehrere Male, und drückte dann den Rücken meiner Hand dagegen, als ich versuchte, ihn in die kalte Nachtluft zurückzustoßen. Die Haut meiner Stirn spannte sich, als ich nach Luft rang. Ein entsetzliches Brüllen füllte meine Ohren, als sei vor meinem Gesicht eine Granate explodiert, und für eine Sekunde schien sich der Griff seiner Finger zu lockern. Ich schlug nach seinem Kopf und traf nichts als leeren Raum, in den nur noch der abrupt abgerissene blutige Stumpf einer menschlichen Wirbelsäule ragte. Ein Baum oder vielleicht ein Telegrafenmast hatte den Russen sauber enthauptet.
    Während es in meiner Brust wühlte wie in einem Sack vol ler Kaninchen, fiel ich schwer in den Wagen zurück, zu er schöpft, der Welle von Übelkeit nachzugehen, die in mir hochstieg. Aber nach nur wenigen Sekunden konnte ich nicht mehr widerstehen, und mein sich plötzlich zusammenziehen der Magen ließ mir keine andere Wahl, als mich ausgiebig über dem Körper des toten Soldaten zu erbrechen.
    Es vergingen einige Minuten, ehe ich mich kräftig genug fühlte, die Leiche aus der Tür zu kippen und den Karabiner rasch folgen zu lassen. Ich nahm den übelriechenden Militär rnantel des Russen vom Sitz und wollte ihn ebenfalls hinaus werfen, als ein großes Gewicht mich zögern ließ. Beim

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