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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Sarkasmus zu entschär fen, der in meiner Stimme war. Dies war nicht der rechte Augenblick. Jedenfalls noch nicht. Ich fragte mich, ob sie et was über die Flasche Chanel sagen würde, die ich kürzlich in einer ihrer Schubladen versteckt gefunden hatte. Doch sie er wähnte sie nicht.
    Lange nachdem Kirsten in ihre Snackbar gegangen war, hörte ich ein Klopfen an der Tür. Immer noch nervös wegen des toten Russen, steckte ich die Automatik in die Jackenta sche, bevor ich auf das Klopfen reagierte.
    «Wer ist da? »
    «Dr. Nowak.»
    Wir hatten unser Geschäft rasch erledigt. Ich erklärte ihm, daß mein Informant im Hauptquartier der Sowjetischen Streitkräfte durch einen Anruf auf der Überlandleitung bei der Polizei in Magdeburg, der Wernigerode nächst gelegenen Stadt in der Zone, die Bestätigung erhalten hatte, daß Frau Nowak in der Tat vom MVD in «Schutzhaft» gehalten wurde. Bei Nowaks Rückkehr würden er und seine Frau um gehend wegen «Arbeiten, die für die Interessen der Völker der Union der Sowjetrepubliken lebenswichtig sind », nach Charkow in der Ukraine deportiert werden.
    Nowak lächelte grimmig. «Das war zu erwarten », seufzte er. «Der größte Teil ihrer metallurgischen Forschung ist dort konzentriert. »
    «Was werden Sie jetzt machen?» fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf mit einem solchen Ausdruck von Mutlosigkeit, daß er mir richtig leid tat. Aber Frau Nowak tat mir noch mehr leid. Sie saß in der Klemme.
    «Nun, Sie wissen, wo Sie mich finden können, falls Sie meine Dienste weiterhin benötigen.»
    Nowak deutete auf den Sack Kohlen, den er mit meiner Hilfe aus seinem Taxi hereingetragen hatte, und sagte: «So wie Ihr Gesicht aussieht, schließe ich, daß Sie sich die Kohlen verdient haben.»
    «Sagen wir einfach, selbst wenn ich sie alle auf einmal ver feuern würde, wäre dieses Zimmer kaum wärmer.» Ich hielt inne. «Es geht mich ja nichts an, Dr. Nowak, aber werden Sie zurückkehren? »
    «Sie haben ganz recht, es geht Sie nichts an.»
    Ich wünschte ihm jedenfalls Glück, und als er fort war, trug ich eine Schaufel voll Kohlen in das Wohnzimmer und machte mit einer Sorgfalt, die nur durch zunehmende Vor freude auf eine warme Wohnung beeinträchtigt wurde, Feuer im Ofen.
    Ich verbrachte einen angenehmen Morgen, auf der Couch liegend, und hatte beinahe Lust, den Rest des Tages zu Hause zu bleiben. Aber am Nachmittag holte ich mir einen Spazier stock aus dem Schrank und humpelte zum Kurfürstendamm, wo ich, nachdem ich wenigstens eine halbe Stunde Schlange gestanden hatte, eine Straßenbahn nach Osten erwischte.
    «Schwarzer Markt», rief der Schaffner, als der alte zer störte Reichstag in Sicht kam, und die Bahn leerte sich.
    Kein Deutscher, so anständig er auch sein mochte, war sich zu fein, nicht hin und wieder ein kleines Schwarzmarkt Geschäft zu machen, und angesichts eines durchschnittlichen Wocheneinkommens von etwa 200 Mark - genug, um eine Schachtel Zigaretten zu kaufen - hatten selbst rechtmäßige Geschäfte reichlich Anlaß, auf Schwarzmarktartikel zurück zugreifen, um Angestellte zu bezahlen. Die Leute benutzten ihre im Grunde wertlose Reichsmark nur, um die Miete zu bezahlen und ihre kärglichen Lebensmittelrationen zu kau fen. Für einen Studenten der klassischen Ökonomie bot Ber lin das vollkommene Modell eines Warenkreislaufs, der von Habgier und Not bestimmt wurde. Vor dem geschwärzten Reichstag, auf einer Fläche von der Größe eines Fußballfel des, standen nahezu tausend Menschen in tuschelnden Grüppchen herum, die etwas verkaufen wollten, das sie vor zeigten wie Pässe an einem belebten Grenzübergang: Süß stoffpäckchen, Zigaretten, Nähmaschinennadeln, Kaffee, Lebensmittelmarken (meist gefälscht), Schokolade und Kon dome. Andere wanderten herum, blickten mit betonter Ver achtung auf die Artikel, die man ihnen zur Prüfung hin hielt, und suchten weiter nach den Waren, deretwegen sie hergekommen waren. Es gab nichts, was man hier nicht kau fen konnte: von der Eigentumsurkunde über einen ausgebombten Besitz bis zu einer gefälschten Entnazifizierungsur kunde, die dem Besitzer bestätigte, er sei frei von nazistischer «Infizierung» und somit in einer Stellung zu beschäftigen, die der Kontrolle der Alliierten unterlag, sei es nun als Or chesterdirigent oder als Straßenfeger.
    Doch es waren nicht nur Deutsche, die hier handelten.
    Ganz im Gegenteil. Die Franzosen kamen, um für ihre Mäd chen zu Hause Schmuck, die Briten, um Kameras für ihren

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