Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
ebenfalls töten mußte.»
« Und jetzt sind Sie sicher? »
« Ganz sicher», erwiderte er. «Sie werden nicht nur lebend hier rausgehen ... »
«Sie hätten mich hier unten getötet? »
« Ist das nicht ein sehr passender Ort? »
«0 ja, sehr romantisch. Was hätten Sie gemacht? Mir den Hals durchgebissen? Oder haben Sie einen der Särge ver drahten lassen? »
«Es gibt viele Gifte, Herr Gunther.» Er zeigte mir ein klei nes Klappmesser auf seiner Handfläche. «Tetrodotoxin an der Klinge. Nur der winzigste Kratzer - und auf Nimmerwie dersehen.» Er steckte das Messer in seine Uniformjacke und zog fast ein wenig verlegen die Schultern hoch. «Ich wollte sagen, daß Sie nicht nur lebend hier rausgehen dürfen, son dern daß Sie, wenn Sie jetzt ins Cafe Mozart gehen, dort je manden finden werden, der auf Sie wartet.»
Mein verblüffter Gesichtsausdruck schien ihn zu amüsieren.
«Können Sie's nicht erraten?» fragte er entzückt.
«Meine Frau? Sie haben sie aus Berlin rausgeschafft ?» «Kanjeschna (natürlich). Ich wüßte nicht, wie sie sonst aus
Berlin hätte rauskommen sollen. Berlin ist von unseren Pan zern eingeschlossen.»
«Kirsten wartet jetzt im Cafe Mozart? »
Er blickte auf seine Uhr und nickte. «Bereits seit einer Viertelstunde», sagte er. «Sie lassen sie besser nicht länger warten. Eine so attraktive Frau, ganz allein in einer Stadt wie Wien? Man muß heutzutage so vorsichtig sein. Es sind schwierige Zeiten.»
« Sie sind voller Überraschungen, Oberst», sagte ich. «Vor fünf Minuten hing mein Leben noch von einer unwägbaren Laune Ihres Verdauungsapparates ab. Und jetzt erzählen Sie mir, daß Sie meine Frau aus Berlin hergebracht haben. Warum helfen Sie mir? Das verstehe ich nicht.»
«Sagen Sie doch einfach, es ist ein Teil der ganzen unbe deutenden Liebesgeschichte des Kommunismus, das ist al les.»
Er schlug die Hacken zusammen wie ein echter Preuße. « Auf Wiedersehen, Herr Gunther. Wer weiß? Nach dieser Sache mit Berlin sehen wir uns vielleicht wieder.»
« Ich hoffe, nicht.»
« Das ist sehr schade. Ein Mann von Ihren Fähigkeiten ... » Damit drehte er sich um und schritt davon.
Ich verließ die Kapuzinergruft, und meine Schritte waren beflügelter als die von Lazarus. Draußen, auf dem Neuen Markt, hatten sich noch mehr Zuschauer vor dem sonderba ren kleinen Straßencafe, das kein Cafe war, versammelt. Dann erblickte ich die Kamera und die Scheinwerfer, und zugleich erspähte ich Willy Reichmann, den kleinen rothaa rigen Produktionsleiter aus den Sieveringer Filmstudios. Er sagte etwas auf englisch zu einem anderen Mann, der ein Megaphon hielt. Das war bestimmt der englische Film, von dem Willy mir erzählt hatte: der, für den Wiens immer selte ner werdende Ruinen Voraussetzung gewesen waren. Der Film, in dem Lotte Hartmann eine Rolle bekommen hatte, das Mädchen, das mir einen Tripper angehängt hatte, den ich verdiente.
Ich blieb stehen, um ein paar Minuten zuzuschauen, und fragte mich, ob ich Königs Freundin zu Gesicht bekommen würde, aber von ihr war nichts zu sehen. Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß sie Wien zusammen mit ihm verlassen und ihre beste Filmrolle hatte sausenlassen.
Einer der Zuschauer sagte: «Was in aller Welt treiben die da? », und ein anderer antwortete: « Das soll ein Cafe sein das Care Mozart.» Ein Gelächter lief durch die Menge. « Was, hier?» sagte eine andere Stimme. « Offensichtlich gefällt ihnen die Aussicht hier besser», erwiderte ein vierter. « So was nennen sie poetische Freiheit.»
Der Mann mit dem Megaphon bat um Ruhe, ließ die Ka mera laufen, und dann rief er « Äktschen ». Zwei Männer, von denen einer ein Buch trug, als wäre es eine Art Ikone, schüttelten sich die Hände und nahmen an einem der Tische Platz.
Ich überließ es der Menge, den weiteren Ablauf zu verfol gen, und eilte mit raschen Schritten dem wirklichen Care Mozart und der Frau entgegen, die dort auf mich wartete.
Anmerkung des Verfassers
Im Jahr 1988 wurden lan Sayer und Douglas Botting, die an einer Geschichte des amerikanischen Corps für Gegenspio nage unter dem Titel America's Secret Army: The Untold Story of the Counter-Intelligence Corps arbeiteten, von einer Untersuchungs behörde der US-Regierung gebeten, eine Akte zu überprüfen, die Dokumente enthielt, die CIC-Agenten in Berlin gegen Ende 1948 in Verbindung mit der Beschäftigung von Heinrich Müller als CIC-Berater erstellt hatten. Die Akte wies darauf hin, sowjetische
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