Bernie und Chet
direkt neben mir. »K ommt drauf an, was Sie damit meinen.«
»S ie wissen schon. Ist er friedlich? Beißt er? Ich habe ein bisschen Angst vor Hunden.«
»E r tut Ihnen nichts.«
Natürlich nicht. Aber die Idee hatte sich in meinem Kopf festgesetzt, so viel stand fest. Ich merkte es daran, dass mir plötzlich das Wasser im Maul zusammenlief.
»G ut. Man kann ja nie wissen.«
Bernie murmelte irgendetwas vor sich hin, so leise, dass nicht einmal ich es verstand, aber ich wusste, dass ich seine Meinung teilte, egal, was es war.
Sie stieg aus dem Auto aus, eine große Frau mit langen blonden Haaren, die nach Blumen und Zitronen roch, und außerdem war da noch ein Hauch von etwas anderem, das mich an das erinnerte, was den Weibchen unter meinesgleichen nur hin und wieder passierte. Wie mochte es wohl sein, wenn es die ganze Zeit da war? Wahrscheinlich machte es einen verrückt. Ich sah hoch zu Bernie, der sie nicht aus den Augen ließ, sich über die Haare strich … oh, Bernie.
»I ch weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. So etwas ist mir noch nie passiert.«
»W as?«
Sie rang die Hände. Hände waren das Befremdlichste an den Menschen, und das Beste: Man konnte so gut wie alles herausfinden, wenn man sie beobachtete. »I ch wohne drüben in El Presidente.« Sie deutete vage in eine Richtung.
El Presidente: War das da, wo die Kanalisationsrohre hinführten? Ich war nicht besonders gut darin, mir Straßennamen zu merken – abgesehen von unserer Straße, der Mesquite Road –, aber was machte das schon? Ich brauchte sie nicht, um mich zurechtzufinden.
»M ein Name ist Cynthia Chambliss. Ich arbeite mit einer Frau zusammen, der Sie mal geholfen haben.«
»W er ist diese Frau?«
»A ngela DiPesto.«
Na prima. Ich erinnerte mich an endlose Nächte, die wir im Auto vor irgendwelchen Motels im gesamten Bundesstaat verbracht hatten. Wir hassten Scheidungssachen, Bernie und ich, und früher hatten wir solche Aufträge immer abgelehnt. Aber jetzt steckten wir in einem finanziellen Engpass, wie Bernie es nannte. Ehrlich gesagt, ich wusste nicht so genau, was Engpass bedeutete, aber egal, was es war, es weckte Bernie mitten in der Nacht, brachte ihn dazu, aufzustehen und durchs Haus zu laufen, manchmal zündete er sich sogar eine Zigarette an, obwohl er sich so viel Mühe gegeben hatte, aufzuhören.
Bernie verzichtete darauf, etwas über Angela DiPesto zu sagen, und nickte nur kurz. Bernie war ein großer Nicker. Mir fielen auf der Stelle vier verschiedene Arten von Nicken ein, die er draufhatte, jede davon leicht zu verstehen, wenn man erst einmal wusste, worauf man achten musste. Dieses spezielle Nicken bedeutete: Fehlschlag.
»A ngie hat Sie sogar in den höchsten Tönen gelobt – wie Sie es diesem Kotzbrocken von Ehemann gezeigt haben.« Sie schüttelte sich leicht. Ich kann das viel, viel besser. »N a ja, und als das dann passiert ist, und weil Sie sozusagen um die Ecke wohnen und überhaupt … egal, jetzt bin ich jedenfalls hier.« Sie wippte vor und zurück, so wie es die Menschen tun, wenn sie sehr nervös sind.
»A ls was passiert ist?«
»D ie Sache mit Madison. Sie ist verschwunden.«
»M adison ist Ihre Tochter?«
»H abe ich das nicht gesagt? Tut mir leid. Ich bin so durcheinander, ich weiß gar nicht, was …«
In ihren Augen begann es zu glitzern. Das war immer ziemlich interessant, die Sache mit dem Weinen; nicht das Geräusch – da konnte ich mithalten –, aber das Tränenzerdrücken, wie Bernie es nannte, vor allem wenn Leda es tat. Sie gerieten aus der Fassung, die Menschen, und dann kam Wasser aus ihren Augen, besonders bei den Frauen. Was hatte es damit auf sich? Bernie starrte auf den Boden, scharrte mit den Füßen; er wusste auch nicht damit umzugehen, obwohl auch aus seinen Augen einmal Wasser gekommen war. Ich hatte es selbst gesehen, nämlich an dem Tag, an dem Leda Charlies Sachen zusammengepackt hatte. Charlie war ihr Kind – das von Bernie und Leda –, und er wohnte jetzt bei Leda und kam nur zu Besuch. Wir vermissten ihn, Bernie und ich.
Diese Frau, Cynthia? Chambliss? Wie auch immer sie hieß – ich habe, ehrlich gesagt, immer Probleme damit, mir Namen zu merken, und manchmal entgehen mir auch noch andere Sachen, wenn ich das Gesicht des Menschen, der spricht, nicht ganz genau sehen kann –, sie nahm ein Taschentuch aus einem kleinen Täschchen, das sie mit sich herumtrug, und betupfte damit ihre Augen. »T ut mir leid.«
»K eine Ursache. Wie lange ist Madison schon
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