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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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ehemalige FDJ-Aktivist in dem Bestreben, dem zu erwartenden Temperamentsausbruch die Spitze zu nehmen. Dagegen war hier niemand gefeit, nicht einmal der Minister selbst. »Ersten Berichten unserer V-Leute zufolge gehen die Demonstranten dort bereits in die Tausende.«
    »Demonstranten?«, echote Mielke, auf dem besten Wege, die Befürchtungen seines Büroleiters Wirklichkeit werden zu lassen. »Kann es sein, dass Sie ein bisschen Deutsch-Nachhilfe brauchen? Diversanten, Konterrevolutionäre und kriminelle Elemente zuhauf, und Sie Grünschnabel haben nichts Besseres zu tun, dieses Gesindel als Demonstranten zu bezeichnen. Das haut ja wohl den stärksten Kosaken um.« Mielke hieb mit der flachen Hand so heftig auf den Tisch, dass es weit und breit zu hören war. »Merken Sie sich eins, Sie Anfänger: Wenn Sie es hier zu was bringen wollen, drücken Sie sich gefälligst anders aus. Haben wir uns verstanden, Genosse?«
    »Selbstverständlich, Genosse Miel…«
    »Sonst noch was?«
    »So leid es mir tut – ja.«
    »Nun reden Sie schon, Mann!«
    Noch eine Spur bleicher als sonst, senkte der ehemalige Schlosser, der mit seinen 28 Jahren eine wahre Blitzkarriere hinter sich hatte, mit betretener Miene das Haupt. »Wir haben ihn aus den Augen verloren, Genosse«, bekannte er mit schlotternden Knien, als könne er das Unheil, das sich über ihm zusammenbraute, mithilfe dieser vagen Aussage aufhalten. Ein Blick auf Mielkes grimmige Miene genügte, um seine Beichte schleunigst zu präzisieren: »Rembrandt, Genosse Minister, es geht um Rembrandt. Trotz der von Ihnen angeordneten Observierung ist es ihm offenbar gelungen, sich in den Westen abzusetzen. Und das vor den Augen der Volkspolizei.« Der sichtlich geknickte Leutnant schnappte nach Luft. »Laut Aussage der betreffenden Streifenbeamten muss der Grenzübertritt in einem Wagen der amerikanischen Botschaft erfolgt sein.«
    »Und die mit seiner Beschattung beauftragten Genossen?«, schnaubte Mielke, kurz vor einem neuerlichen Wutausbruch, der den vorigen weit in den Schatten zu stellen drohte. »Was ist mit denen?«
    »Aufgrund des Gedränges auf dem Bahnhof war die betreffende Genossin leider nicht imstande, Rembrandts Observierung wie geplant …«
    »Mit anderen Worten – die dämliche Pute hat ihn aus den Augen verloren.«
    Mielkes Büroleiter senkte den Blick. »In der Tat, Genosse.«
    »Wenn wir diese Konterrevolutionäre hinter Schloss und Riegel gebracht haben, Sie Tollpatsch, wird es hier ein Großreinemachen geben, das sich gewaschen hat!«, spie Mielke hervor und sprang mit krebsrotem Gesicht auf. Zur Erleichterung des Büroleiters, der mit einer unwirschen Handbewegung abgewimmelt wurde, klingelte in diesem Moment das Telefon.
    Als sich die Tür hinter dem sichtlich erleichterten Blondschopf schloss, hob Mielke den Hörer ab. Er sollte sich noch mehr aufregen. »Ja, bin ich hier von lauter Trotteln umgeben?«, schrie er in den Hörer, den er am liebsten sofort wieder auf die Gabel geknallt hätte. »Was denkt sich dieser Dilettant von der HA [33] VIII eigentlich? Ich hab doch wahrhaftig Besseres zu tun, als mich mit einem x-beliebigen IM [34] … Was, das Bernsteinzimmer? Na gut, stellen Sie durch.« Mit einem Fluch, der vor Obszönität nur so strotzte, ließ sich Mielke in seinen Schreibtischsessel sinken und nippte an seiner morgendlichen Tasse Tee. Erst Laurin, zu dem der Kontakt abgerissen war, dann Rembrandt, dieser mit allen Wassern gewaschene Verräter. Und zu guter Letzt das Bernsteinzimmer. Ausgerechnet jetzt. In einer Zeit, in der die Konterrevolutionäre ihm keine ruhige Minute gönnten. Nun ja, vielleicht würde er bei den Russen Eindruck damit schinden können, vorausgesetzt, er bekäme heraus, wo genau dieses Gerümpel abgeblieben war. Aber genau das war das Problem. Als Versteck kamen mindestens ein Dutzend Orte infrage, angefangen bei Bergwerken bis hin zu alten Stollen, Gruben und so weiter. Die Suche würde eine Menge Zeit kosten. Und vor allem das, woran es der DDR seit jeher mangelte: Geld.
    Es sei denn, er bekäme heraus, wo genau sich das Zimmer befand.
    »Mielke hier.«
    Minuten später, als er den Bericht des Informanten bereits zum dritten Mal gehört hatte, konnte es Erich Mielke immer noch nicht glauben. »Der MGB?«, rätselte er und überlegte hin und her, was von der Sache zu halten war. »Sind Sie sich da wirklich sicher?«
    »Hundertprozentig«, beteuerte der Anrufer, der den wenig einfallsreichen Decknamen ›Sigmund‹ trug.

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