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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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wäre, dann würde ich dieser Straße wahrscheinlich überhaupt keine Beachtung schenken. Der ‚Zinnsoldat’ ist wirklich das einzige, das sich nicht verändert.“ Sie saß an der Achatbar und hatte nachdenklich den Kopf in die Hände gestützt.
    Er schenkte Drinks ein. „Es ist schön, etwas Konstantes im Leben zu haben.“
    „Ich weiß. Wir wissen das ebenfalls zu schätzen, wahrscheinlich mehr als jeder andere.“ Sie betrachtete den halbdunklen Raum. „Hier kommen alle wirklich zuerst her, und hier verbringen sie die meiste Zeit … und das Wissen, daß sie das können , bedeutet ihnen unheimlich viel. Denn du wirst hiersein, jung und real, und wirst dich an sie erinnern.“ Ein plötzlicher Hunger verschleierte ihren Blick.
    „Das beruht auf Gegenseitigkeit.“ Er sah auf.
    „Auch das weiß ich … Aber was ich dich schon immer einmal fragen wollte – warum nennst du die Bar „Zinnsoldat“? Ich meine, „Soldat“ könnte ich ja noch einsehen, aber warum ‚Zinn’?“
    „Kleiner privater Scherz. Stammt aus einem Märchenbuch, das ich gelesen habe, Andersens Märchen …“ – er blickte sie verlegen an – „… denn alles andere hatte ich bereits gelesen. Darin fand ich eine Geschichte über einen Spielzeugladen, über einen Zinnsoldaten mit einem Bein, der jahrelang im Regal stand … Er verliebte sich in eine Spielzeugballerina, die aber nur das Tanzen liebte, niemals ihn. Am Ende fiel sie ins Feuer, und er sprang hinterher – sie verbrannte herzlos zu Staub, während er zu einem herzförmigen Klumpen schmolz …“ Er lachte vorsichtig, als er ihr Gesicht sah. „Eine Fußnote besagte, daß die Geschichte manchmal ein glückliches Ende hat. Das würde ich gerne glauben.“
    Sie nickte hoffnungsvoll. „Ich auch … Woher stammt deine Steintheke? Sie ist so wunderschön wie die nebulösen Tiefen der Plejaden.“
    „Warum all die Fragen?“
    „Ich bewundere alles. Ich liebe diesen Ort schon jahrelang und habe nie einen Ton gesagt. Manchmal liebt man irgendwelche Dinge, ohne es zu wissen, weil man sie als gegeben nimmt. Aber das ist falsch – deshalb will ich es jetzt wissen.“ Sie strich mit einer Hand über den polierten Stein.
    Er fuhr ebenfalls die Muster der Theke nach. „Das ist versteinertes Holz – eine Pflanze, die im Stein konserviert wurde, Mineralien ersetzten ihre Struktur. Ich habe es in der Wüste gefunden.“
    „Wüste?“
    „östlich der Berge. Ich habe ein ganzes Tal gefunden, das randvoll damit war. Es ist ein unglaublicher Ort, die Wüste.“
    „Ich habe noch nie eine gesehen. Nur davon gehört – kahl und tödlich. Das macht mir Angst.“
    „Während du doch selbst andauernd die größte Wüste durchquerst? Die zwischen den Sternen.“
    „Aber dort ist es nicht kahl und Öde!“
    „Hier auch nicht. Es ist jetzt Winter. Ich kann dir die Bäume zeigen, wenn du möchtest.“ Er grinste. „Wenn du dich traust.“
    Sie zog die Brauen in die Höhe. „Klar traue ich mich! Wir können schon morgen gehen. Ich mach uns was zu essen für unterwegs.“
    „Aber wir werden in aller Frühe aufbrechen müssen. Und wenn du wieder bis in die Puppen die Stadt unsicher machen möchtest …“
    „Oh, das ist schon okay. Ich werde eine Pille nehmen.“
    „He …“
    Sie pfiff durch die Zähne. „Oh … ich habe eine gefunden, die ich vertrage. Ich habe sie die ganze Zeit in den anderen Häfen benutzt.“
    „Aber warum bist du dann …“
    „Weil ich gern bei dir bin. Ich habe gebeichtet, jetzt weißt du es, ein aufrichtiges Bekenntnis. Bist du verrückt?“
    Überraschende Freude zeigte sich in seinem Gesicht. „Wohl kaum … Ich muß zugeben, ich hatte mich schon gefragt, was …“
    „ Sol- dat!“ Er sah weg, jemand winkte ihm zu. „Mehr Wein, bitte!“ Er hob eine Hand.
    „Brandy, komm doch, hier ist eine Party …“
    Sie winkte. „Morgen, in aller Frühe?“ Ihre Augen suchten in seinem Gesicht.
    „Ah-hm. Bis …“
    „Später.“ Sie schlüpfte hinaus und war verschwunden.
     
    Der Gleiter erhob sich stumm in den frühmorgendlichen Himmel. Brandy saß neben ihm und blinzelte durch den Widerschein hinab, während Neu Piräus in der grasgrünen Bucht immer kleiner wurde. „Siehst du, wie die Stadt hinter dem Horizont verschwindet und man nur noch Land und Meer und keine Anzeichen einer Veränderung mehr sieht? So ist es auch, wenn das Schiff startet, aber dann passiert es so rasch, daß man gar keine Zeit hat, sich richtig daran zu erfreuen.“ Sie sah ihn mit

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