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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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fünfunddreißig Jahren wieder in der stellaren Nachbarschaft sein … fünfunddreißig tau- Jahre – mehr als zweihundert hier. Wenn wir weniger Glück haben, werden wir überhaupt nicht mehr zurückkehren.“
    „Ich verstehe.“ Er starrte ohne zu blinzeln zu Boden, die Hände hatte er zwischen den Knien gefaltet. „Schon gut, das ist eine einzigartige Gelegenheit, ganz besonders für deine Poesie. Ich beneide dich. Aber du wirst mir fehlen.“
    „Ich weiß.“ Er sah, daß sie sich auf die Lippen biß. „Aber wir können viel Zeit miteinander verbringen, wir werden bis zu meiner Abreise jede Menge davon haben. Und dann habe ich dir noch etwas mitgebracht, damit du mich nicht vergißt.“ Sie kam durch den Raum auf ihn zu.
    Es war ein Stern, der von einem Künstler, der das Feuer gut kannte, in eine Filigranarbeit aus Silber gebannt worden war. Im Innern des Medaillons zeigte sie ihm ihr lachendes, freudestrahlendes Gesicht.
    „Das habe ich auf Treone gefunden … dort findet wirklich eine Renaissance statt. Mir gefiel dieses Holo, und ich dachte, ich könnte …“
    Er beugte sich über Silber zum Silber ihres Haares hinüber, küßte sie auf den Mund und spürte ihr Zittern, als er sich wieder zurückzog. Er hob die Kette und legte sie sich um den Hals. „Ich habe auch etwas für dich.“
    Er stand auf und kam mit einem schmalen Büchlein wieder zurück, dessen Einband die Farbe von Rotwein hatte, das er ihr in die Hände legte.
    „Meine Gedichte!“
    Er nickte. Seine Finger betasteten den Stern an seiner Kehle. „Ich konnte zwei Ausgaben davon bekommen – was nicht leicht war. Sie sind mittlerweile gut bekannt, alle Raumfahrerinnen haben sie bei sich. Sie zeigen sie zwar, wollen sie aber nicht hergeben. Du wirst wahrscheinlich auf mehr Welten bekannt sein, als du jemals sehen wirst.“
    „Oh, ich habe nicht mal davon gehört …“ Plötzlich lachte sie. „Mein Ruhm hinkte mir hinterher. Aber bei der nächsten Reise …“ Sie sah weg. „Nein. Ich werde diese Route nicht mehr bereisen.“
    „Aber du wirst viel Neues sehen, das du zu neuen Gedichten verarbeiten kannst.“ Er bemühte sich, die Verkrampftheit seiner Stimme zu lockern.
    „Ja … Oh ja, ich weiß …“
    „Ein Monat ist eine lange Zeit.“
    Plötzliche Geräusche ließen sie aufblicken. Dicke Regentropfen prasselten auf die Scheibe und verschmierten Staub über das Flachdach.
    „Regen! Kein Nebel. Die Regenzeit hat begonnen.“ Sie sahen zu, wie der Himmel über ihnen ausgelöscht wurde. Er verdunkelte sich und brach unter donnernden elektrischen Entladungen wieder auf. Der Regen fiel immer dichter, das ganze Dach schien bereits zu schwimmen. Er führte sie zu einem Fenster. Über dem sanft gewellten Land schien ein Vorhang aus Wasser zu liegen, der die staubtrockenen Kehlen der Täler näßte und das Land mitsamt dem trockenen Buschwerk erneuerte. „Ich frage mich jedesmal, wann es endlich passieren wird und vor allem ob, aber es tritt jedesmal ein.“ Er sah sie an, erwartete Quecksilber, sah aber nur dicke Tränen. Sie weinte still in sich hinein und betrachtete den Regen.
    In den darauffolgenden zwei Wochen erlebten sie gemeinsam den Regen und die kühle Luft, die ihm folgte. Und abends ging sie aus, während er hinter der Theke stand, denn es war die letzte Gelegenheit, mit der Mannschaft der Wer hat sie zu feiern. Doch er fand sie jeden Morgen schlafend bei sich, und jeden Nachmittag verbrachte sie mit ihm. Sie erkundeten gemeinsam die Winkelgäßchen der veränderten, aber immer noch schäbigen Unterstadt, oder aber sie verbrachten ihre Zeit bei dem lärmenden Fischervolk in den Docks. Er nahm sie mit zu Makerrah, den er bereits als netzeknüpfenden Jungen gekannt hatte, als nach Fischertracht gekleideten Schwanz, der den Raumfahrerinnen im ‚Zinnsoldaten’ den Hof gemacht hatte, als erwachsenen Matrosen und Fischer. Er kannte ihn seit fast vierzig Jahren. Makerrah, der nun langsam und behäbig in seinen Bewegungen wurde wie ein hölzernes Boot, während er der Himmelsmatrosin stolz seinen Kahn zeigte. Danach aßen sie Fisch und unterhielten sich über Netze.
     
    „Diese Welt wird alt.“ Brandy war bei Einbruch der Dämmerung mit ihm zur Bar gekommen.
    Maris lächelte. „Aber die Nacht ist noch jung.“ Er verspürte gleichzeitig Freude und Neid.
    „Schon, schon …“ Bleiches Haar fiel in Kaskaden herab, als sie den Kopf schüttelte. „Aber, weißt du, wenn … wenn ich wieder nur fünfundzwanzig Jahre unterwegs

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