Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
denn mit diesem Thema hatte sie sich einst den Respekt ihres Mannes und durch die Gründung der Deutschen Schlaganfall-Stiftung den Zugang zur Stiftung erworben. Geleitet wird das Centrum von Wilfried von Eiff, dem früheren kaufmännischen Direktor der Universitätskliniken Gießen, die heute gemeinsam mit der fusionierten Klinik in Marburg zur Rhön-Gruppe gehört. Nach der beruflichen Station in Gießen ging von Eiff als Manager in die Automobilindustrie. Er arbeitete als Manager bei Audi in Ingolstadt, als Mohn ihn für sein Centrum anstellte. Vermutlich war Mohn das sehr sympathisch: Er brachte Fachwissen mit, kannte sich in einem Operationssaal aus, aber er kannte auch die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft. Auch von Eiff sitzt im Aufsichtsrat eines privaten Klinikbetreibers; auch er ist also klar positioniert.
Von Eiff sagt, Reinhard Mohn würde sicher noch stärker für Privatisierung eintreten als er selbst. Er trete nicht pauschal und nicht immer für Privatisierung ein, vor allem die Lehre dürfe nicht privatisiert werden. Die Privatisierung der Unikliniken von Gießen und Marburg hat er allerdings unterstützt und dabei eine Rolle gespielt, indem er die hessische Landesregierung beriet. Diese Privatisierung sei »in Deutschland, ja in ganz Europa ohne Beispiel« 3 . Sie habe eine Bedeutung, die weit über Hessen hinausgehe. Es war die erste Privatisierung einer Uniklinik und sie zeige, dass eine solche Privatisierung möglich sei. Von Eiff glaubt, dass weitere Privatisierungen von Unikliniken folgen werden.
In Marburg meldete Rhön 2007 (bereits zwei Jahren nach der Übernahme) Gewinn. Die Zahl der Ärzte hatte sich erhöht (ein Hinweis auf mehr behandelte Fälle), die Zahl des Pflegepersonals dagegen verringert. 300 bis 470 der 6 400 Arbeitsplätze wurden abgebaut. Im Februar 2010 meldete Rhön eine Umsatzsteigerung um gut ein Zehntel und eine Verdopplung des Betriebsgewinnes im vierten Jahr. Der Umsatz des bisher einzigen privatisierten Uni-Klinikums kletterte demnach von 451,6 Millionen Euro im Vorjahr auf 500,3 Millionen Euro. Der Gewinn stieg von 2,2 Millionen Euro auf 4,8 Millionen Euro, nachdem er 2007 noch 1,1 Millionen Euro betragen hatte. Vor der Privatisierung hatte das Klinikum vor allem in Gießen Verluste gemacht.
Wie die Stiftung mit der Politik kooperiert
Verschiedene Beispiele zeigen, wie eng die Bertelsmann Stiftung mit der Politik kooperiert und welch exklusiven Zugang sie hat. Die Bertelsmann Stiftung hat zweifelsohne kompetente, gut vernetzte Mitarbeiter, deren Rat gefragt ist. Ein Beispiel ist Sophia Schlette, Jahrgang 1961, die in Harvard ihren Studienabschluss mit einem Master of Public Health gemacht hat. Sie hat »15 Jahre Erfahrung in der Konzeption, Beratung und Evaluierung von Gesundheitsvorhaben«, wie es in ihrer Vita heißt. Sie spricht vier Sprachen und hat für UNICEF, die Weltgesundheitsorganisation WHO und andere Organisationen gearbeitet. Sophia Schlette ist eine hochqualifizierte Angestellte der Bertelsmann Stiftung im Bereich Gesundheitswesen, ihre Schwerpunktthemen sind Gesundheitspolitik, Reform des deutschen Gesundheitswesens und internationale Reformansätze. Zeitweise hat sie auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten gearbeitet. Die Politik ist ihr also nicht fremd. Im Sommer 2007 war sie mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auf Dienstreise in Kalifornien. Im Jahr darauf bezog sie einen Schreibtisch in Schmidts Ministerium und begann ihre Arbeit in Referat 5, der politischen Grundsatzabteilung. Sie schrieb Reden, arbeitete der Ministerin zu und konzipierte jene erwähnte Informationsreise in die USA. Dabei war sie immer noch in der Stiftung angestellt. Unklar sei, wer sie letzlich bezahlte, berichten Sascha Adamek und Kim Otto in ihrem Buch Der gekaufte Staat . 4 Die Stiftung beantwortete eine entsprechende Anfrage nicht.
Fest steht, dass Schlette zwischen Februar 2007 und August 2008 acht Monate im Ministerium arbeitete, wie das Ministerium zugeben musste. Angeblich arbeitete sie nicht an Gesetzen und Verordnungen. Das heißt jedoch nicht, dass sie keinen Einfluss hatte: Die Mitarbeiterin der Stiftung wurde ja nicht irgendwo im Ministerium eingesetzt, sie arbeitete der Spitze zu und beriet die Ministerin. Das spricht für Frau Schlettes Sachkenntnis, stellt aber auch eine fragwürdige Entwicklung und eine neue Qualität des Lobbyismus dar. Stiftung und Regierung werden in der Person der ausgeliehenen Mitarbeiter eins – ohne
Weitere Kostenlose Bücher