Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
zum Scheitern der Hochschulpolitik veröffentlichte, druckte der Spiegel einen mehrseitigen Vorabdruck in einer Titelgeschichte.
Ulrich Lohmar, ein Student von Schelsky, schrieb 1967 über Wissenschaftsförderung und Politik-Beratung . Er sah Politiker als »Großmäzene« der Wissenschaftler. Es ist im Rückblick ein kurioses Verständnis, weil er unter Wissenschaft Institute und Stiftungen versteht, die er in seinem Buch auflistet. Unter Politikern versteht Lohmar Angehörige der Regierung, des Parlaments und der Verwaltungsführung. Er schrieb: »Parlament, Regierung und Verwaltung haben in der Wissenschaftsförderung die Aufgabe eines ›Großmäzens‹ übernommen und können sich dafür in der gegenläufigen Beziehung zur Wissenschaft der Möglichkeiten der Politik-Beratung bedienen.« 2 Die Politik biete »eine wichtige Aufstiegsmöglichkeit«.
Lohmar schrieb also über die Wechselbeziehung zwischen Politik und Instituten oder Stiftungen und darüber, dass die Politik diese beratenden Institute und Stiftungen finanziere. In gewisser Weise ist das eine frühe Beschreibung des späteren Geschäftsmodells der Bertelsmann Stiftung. Ihre Wissenschaftler beraten Politiker und die Politiker sowie der Staat sorgen im Gegenzug für die Steuerbefreiung der Stiftung – gleichsam wie ein Großmäzen.
2. Auf geduldige Art Felsen sprengen – Gründung und Aufbau der Stiftung
Der 14. März 1977 ist die Geburtsstunde der Bertelsmann Stiftung. An diesem Tag erhielt Mohn die offizielle Genehmigung zur Einrichtung einer Stiftung. Fast zwei Jahre lang existierte die Stiftung dann aber erst mal nur auf dem Papier. Erst im Januar 1979 wurde Hans-Dieter Weger Geschäftsführer und zugleich ihr erster Mitarbeiter. Er hatte sich auf eine in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausgeschriebene Stelle für ein »im Aufbau befindliches wirtschaftswissenschaftliches Institut« beworben. Er bezog ein Büro in einem Miet- und Bürohaus in Gütersloh und musste sich seine Sekretärin mit dem Unternehmen teilen. Die Stiftung verfügte zu dieser Zeit kaum über Kapital: Mohn hatte sie lediglich mit 100 000 Mark ausgestattet. Weger erinnert sich, dass er Mohn alle Ausgaben zur Genehmigung vorlegen musste.
Mohn beriet sich mit Gerd Wixforth, dem Stadtdirektor von Gütersloh. Welche Projekte sollte die Stiftung fördern? Einige Bürger in Gütersloh regten an, eine Eislaufbahn zu bauen. »Ich hielt das für einen Witz, mit dem wir uns lächerlich machen würden«, erinnert sich Wixforth. Mohn wollte etwas gegen die Regulierung von Schulen unternehmen, die seiner Ansicht nach überreguliert waren. Wixforth regte dagegen zwei Projekte an, die Mohn tatsächlich in Angriff nahm: den Bau einer Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit der Stadt Gütersloh und eine Mediothek im Evangelischen Stiftischen Gymnasium, das beide besucht hatten.
Mit der Bibliothek wollte Mohn zeigen, dass der Staat seine Angebote effizienter organisieren könnte: mit Erfolg. In Gütersloh wurden mehr Menschen Mitglied in der Bibliothek als in anderen Städten; heute ist angeblich jeder zweite Bürger Kunde. Für das zweite Projekt schwebte Mohn zunächst das Thema Führung und Organisation in der Schule vor, dann entschied er sich jedoch für die Förderung audiovisueller Medien im Unterricht.
Im Kulturausschuss herrschte Skepsis. Einige Mitglieder fragten sich: Mohn sei nie als Mäzen in Erscheinung getreten. Fördere er die Bibliothek vielleicht nur, um mehr Bücher zu verkaufen? Wixforth beruhigte sie, dass es Mohn nicht um den Verkauf seiner Bücher gehe, sondern er selbst Mohn zu der Idee überredet habe. 1 1984 waren die ersten Projekte abgeschlossen. »Jetzt können Sie Mitarbeiter einstellen«, teilte Mohn dem Geschäftsführer mit. Von da an wuchs die Stiftung.
Dass die Lokalpolitiker in Gütersloh ihre Zweifel nicht ganz ohne Grund äußerten, wird an einem weiteren Ansinnen Mohns deutlich, das er an Wixforth herantrug. Es ging um den Bau eines hochklassigen Hotels, damit Bertelsmann seine Gäste niveauvoll betreuen und bewirten könne. Als der zweite Unternehmer vor Ort, der Elektrogerätehersteller Miele, sich wegen der erwarteten Verluste nicht beteiligen wollte, drängte Reinhard Mohn die Stadt, nicht nur den Grund bereitzustellen, sondern auch die Hälfte der Verluste zu übernehmen. Doch Wixforth weigerte sich: er wollte die Stadt nicht an einem gewerblichen Wirtschaftsbetrieb beteiligt sehen. So überließ die Stadt Reinhard Mohn das Grundstück –
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