Berthold Beitz (German Edition)
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Berthold Beitz
Vorwort von Helmut Schmidt
Bundeskanzler a. D.
Wenn ich das Leben von Berthold Beitz richtig überblicke, dann sehe ich drei Jahre in Polen als ersten bedeutenden Abschnitt. Berthold Beitz hat nicht erst im Alter, sondern schon in jungen Jahren eine moralisch vorbildliche Leistung vollbracht. Er rettete in der Nähe von Lemberg Hunderte todgeweihte jüdische Nachbarn und riskierte dabei seinen eigenen Kopf. Seine Frau hat mitgeholfen und das gleiche Risiko getragen. Durch seine Erlebnisse im damaligen Generalgouvernement ist Berthold Beitz für sein ganzes Leben geprägt worden. Aber was für ein Leben! Und was für eine Lebensleistung!
Anschließend kamen acht erfolgreiche Jahre in Hamburg und dann – unglaublich! – über ein halbes Jahrhundert in Essen, im Dienste von Krupp und Krupp-Stiftung – eine sich über lange Jahrzehnte erstreckende Sequenz von Leistungen als Industrieller und Kaufmann, als Hüter und Bewahrer eines unternehmerischen Erbes, das zugleich ein moralisches Erbe war – und ist und bleibt. Das Phänomen Beitz, bei all seiner Lebensfreude, seiner Beweglichkeit und Impulsivität, ist nur zu verstehen, wenn man seine prinzipielle Treue und Beharrlichkeit begriffen hat.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, damals Alleininhaber, hat den vierzigjährigen Beitz zu seinem Generalbevollmächtigten berufen. Er wollte einen Mann, der mit den Stahlmanagern, den Bergassessoren, mit der ganzen Ruhr nicht verbandelt war. Den hat Alfried Krupp tatsächlich auch bekommen. Allerdings ließ gerade Beitz’ Freiheit von jeglicher Bindung an die Familien, die Konzerne und Cliquen, an die personelle Landschaft der Ruhr, vielleicht darüber hinaus auch seine Freiheit von jeglicher Nazi-Belastung, seinen Start in Essen ein Wagnis sein. Ein Wagnis für Alfried Krupp und ebenso für Berthold Beitz. Immerhin war Beitz nicht nur revierfremd, sondern auch branchenfremd.
1967 starb Alfried Krupp. Berthold Beitz war Testamentsvollstrecker. Kurz vor seinem Tode hat Alfried Krupp von der »dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses« gesprochen. Sie mache es zur Pflicht, wörtlich: »… erwerbswirtschaftliche Überlegungen – so wichtig sie auch sind – nie isoliert zu sehen vom Gebot der Sozialverpflichtung des persönlichen Eigentums«. Alfried Krupp hat sich mit Recht ganz und gar auf Berthold Beitz verlassen.
1968 ging die »Friedrich Krupp GmbH« in den Besitz der gemeinnützigen Stiftung über. Ihrem Kuratorium saß gemäß Alfried Krupps Verfügung Beitz vor. Später kamen dann die Umwandlung in eine AG , die Verschmelzungen mit Hoesch (1992) und mit Thyssen (1999). Insgesamt ein weiter Weg mit manchen Höhen und Tiefen.
Der Krupp-Stiftung ist durch ihre Satzung geboten, die Einheit des Unternehmens zu wahren und dessen Erträge gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Um diese doppelte Verpflichtung hat Berthold Beitz immer wieder ringen müssen. Letztlich ist ihm – trotz der unaufhaltsamen Fusionen der deutschen Stahlindustrie – dieser Spagat bis heute gelungen. Ohne ihn würde es sonst den Namen Krupp wohl nicht mehr geben. Die Erfüllung moralischer Pflicht hat Vorrang vor der Mehrung des eigenen Wohlstandes. Moral ergibt sich nicht aus dem Wettbewerb. Die Krupp-Stiftung ist heute Großaktionär von Thyssen-Krupp. Sie hat im Laufe von 43 Jahren unter Berthold Beitz’ Leitung 600 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke ausgeschüttet. Inzwischen hat die Stiftung vielfältige Leistungen zugunsten unserer Gesamtgesellschaft und Kultur vollbracht.
Während dieses halben Jahrhunderts hat Beitz gleichzeitig Deutschlands Verbindung mit vielen unserer östlichen Nachbarn gepflegt. Lange vor Willy Brandt war er bei Rapacki und Gomulka, bei Chruschtschow, bei Mikojan und Honecker. Er ließ sich auch nicht von dem Mistrauen, welches ihm Konrad Adenauer entgegengebracht hat, von seinem ostpolitischen Engagement und seinem Osthandels-Engagement abhalten. Beitz war dabei, als Willy Brandt im Warschauer Ghetto niedergekniet ist. Und auch mir wurde seine Hilfe zuteil, als die damalige Opposition einen Vertrag mit Polen zu Fall zu bringen versucht hat.
Als ein Diplomat ohne staatlichen Auftrag hat er der deutschen Nation als Vorreiter der Verständigung mit Polen und mit Russland gedient und zugleich die Treue zum getrennten Teil unseres Volkes hochgehalten. Er ist ein zielstrebiger Förderer von Wissenschaft und Forschung und last not least ein Sportsmann, der in
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