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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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Ölfarbe beschriebenwaren. JUDENSAU, JUDEN UNERWÜNSCHT. An den Schaufensterscheiben stand KAUF NICHT BEIM JUDEN.
    Sybille und Therese hatten sich fest untergehakt, und Therese spürte, daß Sybille an sich halten mußte, um nicht in die Gruppen der Leute hineinzuschreien, die sich vor dem Kaufhaus zusammengedrängt hatten. Es waren SS-Leute, Männer von der SA und Zivilisten. Dicht beim Eingang postierten sich vor allem SA-Männer. Sie glotzten jeden drohend an, der ins Kaufhaus hinein wollte. Auch Therese und Sybille schrien sie ihr »Kauf nicht beim Juden« entgegen.
    Die Schwestern sahen sich verblüfft an, dann mußten sie lachen. Die Männer schienen zunächst unsicher, doch Therese nickte ihnen strahlend zu.
    »Wir versprechen Ihnen, wir kaufen hier nichts.« Sofort löste sich der Haß auf den Gesichtern der Männer, alles wurde blank vor Zufriedenheit und Verbrüderung.
    »Ihr seids halt richtige deutsche Madln.«
    »Ja, mei«, hörte Therese sich sagen, »echtes Münchner Gwachs.« Therese verachtete sich zwar dafür, daß sie sich vor den Nazis immer wieder die Rolle des arischen Mädchens zuschieben ließ, doch neben der Verachtung war auch eine trotzige Lust in ihr. Sie liebte es, Heil Hitler zu sagen, denn es war ihr als Jüdin verboten. Sie verachtete die anderen, die sich von ihr belügen ließen, denn die Nazis prahlten neuerdings damit, daß sie Juden schon von weitem von richtigen Deutschen unterscheiden könnten.
    »Die kann man ja riechen, die Juden«, hatte neulich ein Mädchen in der Floriansmühle zu ihrer Freundin gesagt, als die beiden sich in der Umkleidekabine umzogen. Auch Therese hatte dort ihren nassen Badeanzug gegen Shorts getauscht. Sie fühlte sich nach dem Wettschwimmen mit Sybille stark und kämpferisch.
    »Hast du schon mal an einem Juden gerochen?« fragtesie herausfordernd das vielleicht sechzehnjährige Mädchen, dessen Augen vor Überraschung fast hervorquollen. Therese hieb ihr leicht den nassen Badeanzug ans Bein, sagte: »Also, versuch’s doch mal.« Dann ging sie nach draußen zu Sybille, die wie immer im nassen Badeanzug in der Sonne lag und sich trocknen ließ. Therese hörte noch, wie ihr das andere Mädchen nachschrie, daß sie es vielleicht mal bei ihr versuchen wolle. Da ging Therese noch einmal zurück zu den beiden, ganz nah, sie sah die blankgeschrubbten Gesichter, die Angst, die sich hinter der Aggression verbarg.
    »Wenn ich Jüdin wäre«, sagte Therese leise, »dann hätte ich euch eins in die Fresse gegeben.«
    Therese setzte sich zu Sybille. Erst jetzt spürte sie, daß ihr Herz stark klopfte, ihre Kehle wie ausgetrocknet war. Sybille lag auf dem Bauch, den Kopf in die Armbeuge geschmiegt. Schlief sie? Gerade noch hatte sie Therese beim Wettschwimmen weit abgehängt.
    »Mei, schwimmt die gut«, hatten einige Mädchen anerkennend gesagt. Später fragten sie Sybille, ob sie nicht Lust hätte, in den Schwimmverein zu kommen. Schließlich versprach Sybille, zum Training am kommenden Wochenende einmal vorbeizuschauen.
    »Wenn die wüßten«, sagte Sybille mit schiefem Grinsen zu Therese.
    Therese sah das schwere dunkle Haar der Schwester, das in einem dicken Zopf über ihrer Schulter lag. Sybilles Haut war unempfindlich gegen die Sonne, seidig und glatt hob sie sich ab von dem weißen Strickstoff des Badeanzuges. Wie eine Skulptur lag Sybille da, wie eine schön gemeißelte Statue, jedenfalls fand das Therese, und sie dachte bitter und wütend, daß alle verdammt sein sollten, alle. Sybille war begabter, schöner und klüger als die meisten hier im Schwimmbad, und doch hatte sie kein Recht, hierzusein.Ebensowenig hatte Therese das Recht dazu. Immer mehr fühlte sie sich in ihrem Leben, als sei sie im Theater ohne Eintrittskarte. Dabei hatte sie früher einen Logenplatz gehabt. Ohne sich das bewußtzumachen, empfand sie sich als etwas Besonderes. Sie wußte, daß sie Therese Karoline Suttner war, Münchnerin, Bayerin. Es war für sie von Anfang an gewiß, daß ihr Leben in geräumigen Häusern stattfand, auf Parkettböden, die von Zugeherinnen mit Bienenwachs zum Duften und Glänzen gebracht wurden. Daß Väter blütenweiße Stehkrägen und englische Sakkos trugen, im Automobil verreisten und eigentlich nicht besonders schmerzlich vermißt wurden, bis sie dann wieder am Frühstückstisch saßen und Zigarillos rauchten.
    Mütter trugen weiße Seidenkleider, spielten auf dem Flügel oder malten, wie Thereses Mutter in ihrem Atelier, wo es nach Ölfarben roch und

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