Eine für vier 01 - Eine für vier
PROLOG
Es war einmal eine Hose. Und zwar eine von der absolut perfekten, unentbehrlichen Sorte – Jeans, das ist ja klar. Sie war blau, aber nicht dieses steife, neue Blau, das man am ersten Schultag so oft zu sehen kriegt. Es war ein sanftes, schillerndes Blau, an den Knien und am Hosenboden noch ein bisschen zusätzlich ausgebleicht und mit kleinen weißen Wellen an den Aufschlägen.
Sie hatte vor uns ein gutes Leben gehabt. Das merkte man sofort. Ich schätze, ein Secondhandladen ist in mancher Hinsicht so ähnlich wie ein Tierheim. Was man dort bekommt,
hängt sehr vom vorigen Besitzer ab. Unsere Hose war kein neurotisches kleines Hündchen, das von seinem Herrchen allein gelassen wurde und sich von morgens bis abends heiser bellte. Sie war eher so wie der ausgewachsene Hund, dessen Familie ihn liebte, jetzt aber in ein Mietshaus umziehen musste oder vielleicht nach Korea (das ist doch Korea, oder?), wo die Leute manchmal Hunde essen.
Ich konnte auf Anhieb erkennen, dass die J EANS nicht durch eine Tragödie in unser Leben getreten war. Sie hatte nur eine von diesen Veränderungen im Leben durchgemacht, die zwar schmerzlich sind, aber in regelmäßigen Abständen auftreten. So ist nun mal der Lauf der Hosen.
Es war eine edle Jeans, aber sie war unauffällig. Man konnte sie mit einem flüchtigen Blick streifen und einfach nur denken: »Okay, eine Hose.« Oder man konnte stehen bleiben und sich diese wunderbare Kombination aus Farben und Säumen genauer ansehen. Die Jeans drängt sich niemandem auf und ist nicht darauf aus, bewundert zu werden. Sie ist glücklich und zufrieden damit, ihrer grundlegenden Aufgabe nachzukommen, nämlich deinen Hintern zu bedecken, ohne dass er dicker aussieht, als er ohnehin schon ist.
Ich hab sie in einem Vorort von Georgetown gekauft, in einem Secondhandladen, der zwischen einem Geschäft liegt, in dem Wasser verkauft wird (ich weiß ja nicht, wie das bei euch ist, aber ich krieg das zu Hause kostenlos), und einem Bio-Laden, der Yes! heißt. Wenn eine von uns Yes ! erwähnt (und wir flech-
ten das bei jeder passenden Gelegenheit ein), schreien wir jedes Mal alle aus vollem Hals: Yes!
Ich war mit Lena, ihrer jüngeren Schwester Effie und ihrer Mutter unterwegs. Effie wollte sich ein Kleid für den Schulball kaufen. Und Effie ist nicht der Typ, der sich bei Bloomingdales einen roten Fummel mit Spagettiträgem kauft, so wie alle anderen das machen. Für sie muss es was Ausgefallenes sein.
Hauptsächlich hab ich die Jeans deshalb gekauft, weil Lenas Mutter solche Secondhandladen nicht ausstehen kann. Sie sagt, gebrauchte Kleidung ist nur was für arme Leute. »Ich glaube, das ist schmutzig, Effie«, sagte sie jedes Mal, wenn Effie irgendetwas vom Kleiderbügel nahm. Insgeheim war ich derselben Ansicht wie Mrs Kaligaris und dafür schämte ich mich ein wenig. Ehrlich gesagt sehnte ich mich nach der blitzblanken Seelenlosigkeit der Kaufhäuser, aber irgendwas musste ich ja kaufen. Die Jeans lag, säuberlich zusammengelegt, in aller Unschuld in einem Regal neben der Kasse. Ich sagte mir, dass man sie vielleicht doch gewaschen hatte. Außerdem kostete sie nur drei Dollar neunundvierzig inklusive Mehrwertsteuer. Ich hab sie noch nicht mal anprobiert, daran könnt ihr schon merken, dass ich nicht ernsthaft vorhatte, sie wirklich zu besitzen. Mein Hintern stellt nämlich sehr spezielle Ansprüche an Hosen.
Effie suchte sich ein knappes Minikleid aus den Sechzigerjahren aus, das für den Schulball so unpassend war wie nur was, und Lena entdeckte ein Paar abgelatschte Mokassins, die aussahen, als hätten sie irgendeinem Großonkel gehört. Lena hat Riesenfüße, Größe einundvierzig oder so. Sie sind das Einzige an ihr, was nicht perfekt ist. Ich liebe ihre Füße. Aber bei diesen Schuhen bin ich doch zusammengezuckt. Es ist schon schlimm genug, gebrauchte Kleidung zu kaufen, die man theoretisch immerhin waschen kann, aber gebrauchte Schuhe ?
Als ich nach Hause kam, stopfte ich die Jeans in die hinterste Ecke von meinem Schrank und vergaß sie.
Dort kamen sie erst wieder an unserem letzten Nachmittag heraus, bevor unsere Wege sich den Sommer über trennten. Ich fuhr nach South Carolina, um mit meinem Dad zusammen zu sein. Lena und Effie verbrachten zwei Monate bei ihren Großeltern in Griechenland. Bridget flog zu einem Fußballcamp auf Baja California (das, wie sich herausstellte, in Mexiko liegt. Wer hätte das gewusst?). Tibby blieb zu Hause. Zum allerersten Mal würden wir den
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