Besessen
wie er sie behandeln musste.
Bei diesem Gedanken schmunzelte sie und setzte sich auf die Fensterbank. Die Knie zog sie an und stützte den Kopf darauf. Nur zu gut konnte sie sich noch an das erste Mal erinnern, als sie Don kennengelernt hatte. Damals war sie so verunsichert gewesen, und genauso ging es ihr jetzt, wenn sie daran dachte, dass er gleich nebenan im Bett lag. Sie war wütend auf ihn, aber bei diesem wunderschönen Morgen fiel es ihr schwer, ihren Zorn zu schüren.
War es tatsächlich zehn Jahre her, seit sie Don kennengelernt hatte? Damals war sie erst siebzehn gewesen, und dennoch kam es ihr vor, als sei dieser Tag noch nicht lange her …
Ein Leibwächter! Kaylie Melville und ein Leibwächter! Bei der Vorstellung musste sie fast auflachen. Nur weil sie in ein paar Filmen mitgespielt hatte und viel Fanpost bekam, von der einige Briefe nicht so nett waren, brauchte sie doch noch lange keinen Leibwächter!
„Es geht nicht anders“, warnte sie ihr Vater. „Wir können dir nicht ständig hinterherfahren, wenn du zu den Dreharbeiten musst. Also sagst du deinem Produzenten, dass du nur noch für ihn arbeitest, wenn er dir einen Leibwächter stellt.“
Ihr Vater war ein kleiner, energischer Mann, der mit seinem aufbrausenden Temperament kein Nein als Antwort hinnahm.
„Er hat recht“, stimmte ihre Mutter wie immer zu. „Hör auf deinen Vater.“ Dann zwinkerte sie Kaylie zu. „Deshalb musst du deine Karriere ja nicht aufgeben. Ich werde selbst mit dem Produzenten reden.“Kaylie widersprach nicht. Sie liebte die Schauspielerei. Ihr erster kleinerer Erfolg war ein Horrorfilm, der der Filmfirma mehr Geld als erwartet eingebracht hatte. Ihre nächste Rolle war schon größer, sie spielte ein Mädchen, dessen Eltern seinen Freund nicht akzeptierten und das auch noch schwanger wurde. Ihr dritter Film war eine Teenagerkomödie, die ihr und dem Regisseur dickes Lob von den Filmkritikern einbrachte. Der Film hatte viele Millionen eingespielt. Die Leute von der Filmfirma waren außer sich. Mit sechzehn war Kaylie bereits überall im Mittelpunkt der Gespräche, bekam Berge von Fanpost und sollte ein Interview nach dem anderen geben. Sie wurde mit anderen Jungstars verglichen und auf der Straße um Autogramme gebeten. Die Leute schrieben ihr Briefe mit Liebesschwüren, aber auch weniger freundliche Fantastereien.
Die Leiter der Filmstudios stimmten ihrem Vater zu und bestanden darauf, dass Kaylie einen Leibwächter bekam.
Doch mit siebzehn war sie nicht auf jemanden wie Don Flannery gefasst gewesen, der in die Büros der Filmfirma kam und verkündete, dass er auf sie aufpassen werde. Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Leibwächter wie ein ehemaliger Boxer aussah, dem schon ein paar Zähne fehlten. Oder wie ein Rausschmeißer einer Bar, mit dickem Bauch und unrasiert. Don Flannery sah allerdings vollkommen anders aus.
Er war viel jünger, als sie erwartet hatte. Kaum älter als zwanzig, seinem Aussehen nach zu urteilen. Und er sah viel besser aus, oder eher männlicher, als alle ihre Filmpartner. Sein Haar trug er länger, als es Mode war, und es reichte in dichten braunen Locken bis über den Kragen und über die Stirn. Sein Gesicht wirkte trotz der ausgeprägten Konturen jungenhaft, wenn er strahlend lächelte.
„Miss Melville“, begrüßte er sie und streckte die Hand aus. Sie saßen in dem unordentlichen Büro von Martin York, dem Produzenten ihres letzten Films.
Im Vergleich zu Dons großer Hand kam ihre eigene ihr winzig vor. Er trug eine Lederjacke, Jeans und ein T-Shirt, sodass er wie einer der Arbeiter für die Filmkulissen aussah, doch seine Augen machten diesen Eindruck zunichte. Mit dem durchdringenden Blick seiner grauen Augen schien er jede Einzelheit in dem Büro wahrzunehmen, als er sich dem Produzenten zuwandte.
Martin warf seine Baseballmütze auf einen Stuhl hinter sich. Grinsend streckte er über seinen mit Akten, Drehbüchern und vollen Aschenbechern bedeckten Schreibtisch hinweg Don die Hand hin. „Wie geht’s dir, alter Kerl?“
„Ich schätze, genau wie dir“, erwiderte Don und ließ sich in einen Sessel neben Kaylie fallen. Gelassen streckte er die Beine lang von sich.
„So schlimm?“
Die beiden Männer lachten, und Kaylie unterdrückte ein Kichern. Schlagartig kam sie sich wie eine Außenstehende vor, und wenn sie nervös war, kicherte sie oft. Aber vor Don wollte sie sich nicht wie ein Mädchen benehmen. Dann hielt er sie womöglich für dumm, und das sollte er auf
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