Besessen
streifte die Sandalen ab. Barfuß ging sie umher. Der Raum war trotz aller Schlichtheit einladend und gemütlich, doch sie konnte nicht vergessen, dass sie entgegen ihrem Willen hier war, mochte ihr Leben auch in Gefahr sein, wie Don immer wieder betonte.
Beim Gedanken daran, was geschehen würde, wenn sie morgennicht im Sender erschien, stöhnte sie auf. Es würde ein großes Chaos geben, ihr Chef würde wütend werden, und die Telefone in ihrem Apartment in San Francisco und in ihrem Haus in Carmel würden nicht stillstehen. Jemand würde bei ihrer Schwester Margot anrufen, und die würde sich zu Tode ängstigen.
Und alles war Dons Schuld. Sie warf ihr Haar über die Schulter zurück und machte aus reiner Neugier den Schrank auf. Er war randvoll mit Frauenkleidern. Röcke, Sweatshirts, Jeans und Hosen waren sorgfältig aufgehängt oder zusammengelegt. Also bin ich nicht die Erste hier, überlegte sie. Schlagartig enttäuscht schlug sie die Schranktür zu. Sie hatte keine Zeit für Gefühlsduseleien.
Na gut, Don hatte eine andere Frau oder auch mehrere. Und? Sie hatte nicht wirklich daran geglaubt, dass er wie ein Mönch gelebt hatte, oder? Es überraschte sie lediglich, dass er ihr diese billige Geschichte andrehen wollte, wenn hier ein ganzer Schrank voller Frauenkleider stand.
Sie warf sich aufs Bett, legte einen Arm über die Augen und versuchte, ihre hämmernden Kopfschmerzen zu vergessen. Zu viel Wein, zu viel Angst und entschieden zu viel Don Flannery, stellte sie fest. Aber schon morgen würde sie einen Weg finden, ihn dazu zu bringen, sie zurück nach Carmel oder besser noch, direkt nach San Francisco zu fahren. Zurück zu ihrer Wohnung, ihrem Job und ihrem Leben ohne ihn.
Nur eine Nacht unter demselben Dach mit ihm, halb nackt auf dem großen Bett, wenige Meter von ihr entfernt.
Aufhören!, flehte sie innerlich und kniff die Augen zu, um sein ständiges Bild nicht mehr zu sehen.
Sie sehnte sich nicht nach ihm. Nein, das tat sie nicht! Trotzdem musste sie einen Augenblick überlegen, wie es sein würde, wieder mit ihm zu schlafen.
Wütend auf sich selbst zog sie sich die Decke über den Kopf und fing an zu zählen. Sie hoffte, dass sie bald einschlief und Don morgen wieder zur Vernunft kam.
Don stand auf und blickte aus dem Fenster. Er fragte sich, ob er einen Fehler gemacht hatte. Ihm war klar gewesen, dass Kaylie sich aufregen würde. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn sodirekt anschuldigen würde. Ihre Beschimpfungen taten weh. Und er hatte nicht gedacht, dass er sich so nach ihr sehnen würde. Schon jetzt war dieses Verlangen fast schmerzhaft, und der Gedanke, dass er die Nacht allein verbrachte, obwohl sie nur wenige Meter entfernt schlief, quälte ihn rasend.
Am Fußende des Bettes winselte Franklin. „Pst.“ Don tätschelte den Kopf des Hundes und ging zurück zum Fenster. Sofort dachte er wieder an die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte.
In den vergangenen sieben Jahren hatte sie sich verändert. Don lehnte den Kopf gegen die kühle Fensterscheibe. Ja, Kaylie war erwachsen geworden.
Keine Spur mehr von der gutgläubigen jungen Frau, die er geheiratet hatte. Der Teenagerstar, der ein paar kleinere Filmerfolge hinter sich hatte, als er mit „Besessen“ berühmt wurde.
Nein, diese Frau war stark, kraftvoll und energisch genug, ihr eigenes Leben zu meistern. Ich muss mich in Acht nehmen, überlegte er, während er gedankenverloren auf den dunklen Wald blickte. Wenn ich einen Moment nicht aufpasse, findet sie einen Weg zu fliehen und setzt damit ihr Leben aufs Spiel. Sie glaubte nicht wirklich daran, dass Johnston entlassen werden sollte.
Doch Don glaubte daran.
Er kannte das Gefühl, wenn Menschen, die er liebte, starben, und diesmal war er wild entschlossen, es nicht dazu kommen zu lassen. Selbst wenn er Kaylie deshalb für ein halbes Jahr einsperren musste!
4. KAPITEL
D ie erste Morgendämmerung strahlte Kaylie direkt ins Gesicht. Blinzelnd setzte sie sich auf.
Dann fiel es ihr wieder ein! Sie war mit Don allein in einem abgelegenen Holzhaus in den Bergen.
Sie stand auf, streckte sich und blickte aus dem Fenster. Hinter den Berggipfeln ging gerade die Sonne auf, und in dem warmen Licht funkelten die Tautropfen auf den Bäumen.
„O Don“, murmelte sie und schlang sich die Bettdecke um die Schultern. Was sollte sie bloß tun? Don war ihr immer ein Rätsel gewesen, und sie hatte nie gelernt, richtig mit ihm umzugehen. Allerdings hatte auch er nie gewusst,
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