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Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)

Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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    Die Stille lärmte. Nikolaj Storm blickte die Korsgade entlang, die im Septemberregen verlassen dalag. Zu beiden Seiten der Straße erhoben sich die roten Wohnblocks, deren Satellitenschüsseln wie eine Ansammlung leerer Essteller aussahen. Alles atmete Ruhe und Frieden, doch war dies nur von kurzer Dauer, ehe die Hölle losbrechen würde.
    Er schlug den Kragen seiner durchnässten Windjacke hoch. In den vielen Stunden, die er bereits mit den Einsatzkräften des Sonderkommandos verbracht hatte, war er bis auf die Knochen nass geworden. Fast beneidete er die uniformierten Beamten, die in einem der gepanzerten Mannschaftswagen hinter ihm Schutz gesucht hatten. Als Einsatzleiter hätte er auch im Beobachtungsfahrzeug warten und einen der anderen Geheimdienstleute in den Regen hinausschicken können, doch wollte er sich dort aufhalten, wo man den besten Überblick hatte. Er wollte sich erst hinter die Reihen der Beamten zurückziehen, wenn es zur Konfrontation kam.
    Sein Blick wanderte die leere Straße hinunter. Er hielt nach denen Ausschau, die früher oder später kommen mussten. Doch bisher hatte sich niemand gezeigt. Er hob den Arm und sprach in das kleine Mikrofon an seinem Handgelenk. » EL bitte melden, wo sich das Zielobjekt befindet, danke.«
    Wenige Sekunden später knisterte es in seinem Kopfhörer. » Hier EL . Zielobjekt befindet sich auf dem Åboulevarden und kommt näher.«
    » Danke«, entgegnete er ins Leere hinein. Das Warten würde bald ein Ende haben. Er zog einen Apfel aus der Tasche und biss hinein. Er schmeckte süßlich nach Herbst. Er konnte sich gar nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte. Seine Ernährung kam bei diesen Marathoneinsätzen genauso zu kurz wie sein übriges Leben.
    » Wäre es nicht besser gewesen, du hättest einen Regenschirm mitgenommen?«, hörte er hinter sich eine Stimme mit ausgeprägt arabischem Akzent.
    Storm drehte sich zu dem Mann im weißen Qamis um, der sich einen Regenschirm über den Kopf hielt. Er schluckte den Bissen hinunter und lächelte. » Ebrahim …«
    Er gab ihm die Hand. Ebrahim war ein kleiner, knochiger Mann mit langem, dünnem Bart. Storm kannte den Imam von den Gesprächsrunden mit den Imamen, die er selbst mit organisiert hatte.
    » Solltest du nicht dort drüben deine Aufwartung machen?«, fragte Storm und wies mit dem Kopf auf die Korsgade-Halle, die sich auf der anderen Straßenseite befand.
    Ebrahim lächelte. » Alles ist bereit. So Gott will, wird dies ein großes Ereignis werden.«
    » Ja, solange alles ruhig bleibt.«
    Ebrahim sah ihn gekränkt an. » Warum sollte es nicht ruhig bleiben? Schließlich sind es nicht wir, die mit Waffen kommen.« Er schaute zu den Uniformierten in ihren Kampfanzügen hinüber.
    » Wir sorgen nur dafür, dass niemand Schaden nimmt«, entgegnete Storm.
    » Tut ihr das auch, wenn in eurer Kirche ein Gottesdienst stattfindet?«
    Storm lächelte. » So gut besucht sind unsere Gottesdienste nicht, als dass wir dort alle verfügbaren Kräfte zusammenziehen müssten.«
    » Vielleicht wird dort die falsche Religion gepredigt«, mutmaßte Ebrahim verschmitzt.
    » Das liegt außerhalb meines Kompetenzbereichs«, entgegnete Storm. » Aber die dänischen Geistlichen scheinen zumindest ein bisschen vorsichtiger bei der Wahl ihrer Gäste zu sein.« Er blickte Ebrahim unverwandt an, der den Kopf schüttelte.
    » Die Presse verbreitet nichts als Lügen über Mullah Udeen. Der Geheimdienst sollte seine Informationen nicht ausgerechnet bei Diktatoren und Zionisten einholen.«
    Storm schwieg.
    Ein dumpfes Grollen zog die Straße herauf und übertönte den Regen, der auf Ebrahims Schirm trommelte. Die beiden Männer drehten sich um. Durch den Regenschleier hindurch zeichnete sich die Menschenmenge ab, die langsam näher kam. Die fast vierhundert Menschen skandierten irgendwelche Parolen. Blutrote Banner mit arabischen Schriftzeichen hoben sich gegen den dunklen Himmel ab.
    Ebrahim entfernte sich rasch von Storm und ging der Menge entgegen. In diesem Moment glitten die Türen der Mannschaftswagen auf. Die Polizisten strömten heraus und griffen zu den Schutzschilden, die neben den Fahrzeugen bereitstanden.
    Der Augenblick, auf den alle gewartet hatten, war da.
    Storm warf sein Apfelgehäuse weg. Obwohl er schon weitaus größere und aggressivere Demonstrationen erlebt hatte, unterschätzte er den Ernst der Situation keine Sekunde lang. Dazu war der Mullah, der sich unter den Demonstranten befand, zu

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