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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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richtige Ort für einen Detective, der ein paar Asse mehr im Ärmel hat als andere.«
    Vielleicht trifft das auch auf Sie zu, Shelly, dachte ich.
    »Ich bin doch auch Polizist. Weshalb traut Folger mir also nichts zu?«
    »Johnny Folger, Alice’ verstorbener Vater, war beim NYPD. Seine drei Brüder ebenfalls. Einer starb am 11. September. Eine Tante arbeitet in der Asservatenkammer. Und das ist nur diese eine Generation. Davor …«
    Ich hob abwehrend die Hand. »Ich hab’s kapiert, Shelly. Die Polizeiarbeit liegt ihr im Blut.«
    »Oder sie legt sich so sehr ins Zeug, damit sich diese Gene endlich ausbilden.«
    »Wie bitte?«
    Er winkte ab. »Nichts. Ich war immer der Meinung, dass Familie mehr mit Gewohnheiten und Tradition als mit Blutsverwandtschaft zu tun hat, aber das ist Ansichtssache. Lange Rede, kurzer Sinn … Folger ist eine Partisanin und hält Sie für … für … ähm …« Waltz suchte nach dem richtigen Wort.
    »Ein Landei«, beendete ich den Satz für ihn. »Einen Hinterwäldler, der keine Ahnung hat und nur stört, während die Profis richtig anpacken.«
    Waltz’ Seufzer verriet Zustimmung. Ich schob meinen halb aufgegessenen Salat neben sein Sandwich, beugte mich vor und verschränkte die Arme auf dem Tisch.
    »Wie bin ich hier gelandet, Shelly? Sie wissen, worauf ich hinauswill. Warum kann ein Detective während einer laufenden Ermittlung auf die Pause-Taste drücken und das NYPD veranlassen, dass ich in Windeseile von Mobile nach New York geschafft werde?«
    Waltz schien sich in seiner Haut unwohl zu fühlen. Er fuhr mit den Fingern über den Rand seines Glases. »Vor fünf Jahren ist die Tochter eines Stadtratsmitgliedes mit einem durchgeknallten Sektenanführer weggelaufen. Ich habe ihn in Alaska erwischt und die Kleine persönlich zurückgebracht. Ihre Deprogrammierung war erfolgreich, und niemand hat von diesem hässlichen Zwischenfall Wind bekommen.«
    Ich schürzte die Lippen und atmete langsam aus. »Dann gibt Ihnen also ein dankbares Stadtratsmitglied Rückendeckung? Kein Wunder, dass Sie einfach so den Polizeichef anrufen können.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Der besagte Fall und ein paar andere Erfolge haben mir einen gewissen Ruf eingebracht. Ich befasse mich mit ähnlichen Fällen wie Ihr PSET und konnte Ergebnisse liefern. Von daher genieße ich Spielräume, die anderen nicht vergönnt sind, und kann etwas bewegen.«
    Während ich über Shellys Einfluss nachdachte, fiel bei mir der Groschen. »Sind Sie einer der Förderer, die für Alice Folgers Aufstieg in die Oberliga verantwortlich waren?«
    Er winkte ab, als wäre das überhaupt nichts Besonderes. »Ich habe ihr Talent erkannt und die entsprechenden Stellen darauf aufmerksam gemacht.«
    Wenn mich nicht alles täuschte, hatte Shelly Folger auf die Probe gestellt, um zu sehen, ob sie es wirklich draufhatte oder nur eine Blenderin war. Nach der unterschwelligen Bewunderung zu urteilen, die in seiner Stimme mitschwang, hatte Folger seine Erwartungen erfüllt.
    »Und was soll ich jetzt tun?«, fragte ich.
    »Ich habe für Sie ein Zimmer in einem Hotel um die Ecke reserviert. Checken Sie ein und besorgen Sie, was Sie brauchen. Wir erstatten Ihnen die Kosten. Wenn Sie möchten, können Sie aufs Revier kommen. Wenn nicht, schicke ich Ihnen die Berichte ins Hotel. Vielleicht können Sie ja doch einen Beitrag leisten.«
    »Und das ist alles?«
    »So wollte es die Lady, und so machen wir es.«
    So wollte es die Lady, dachte ich. Er sprach nicht von »Opfer«, was ihn mir sympathisch machte.
    *
    Waltz’ Angebot, mich ins Hotel zu fahren, schlug ich aus. Ich wollte den Kopf frei bekommen und ging deshalb lieber zu Fuß. Mit hochgezogenen Schultern lief ich durch den Nebel. Mich beschäftigten die Ereignisse, die mich und Dr. Evangeline Prowse zusammengeführt hatten, und die Folgen, die auf immer und ewig in meiner Seele nachhallten. Ereignisse, von denen ich Sheldon Waltz nicht erzählt hatte, nicht erzählen konnte.
    Im Alabama Institute of Aberrational Behavior waren durchschnittlich etwa fünfzig geisteskranke Mörder und Mörderinnen untergebracht. Unter Dr. Prowse’ Leitung – sie hatte sich zeit ihres Lebens mit der Psycho- und Soziopathologie beschäftigt – war die Klinik zu einer der fortschrittlichsten Einrichtungen im Lande geworden. Es hieß, dass niemand, der zum Thema abnormale Psychologie promovierte, mehr als fünf Seiten schreiben konnte, ohne Vangie zu zitieren.
    In einem ihrer Fälle hatte ein sechzehnjähriger

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