Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)
so daß, wer sie frißt, daran stirbt; dann wiederum gibt es so bezeichnete «Nachäff-Falter», die genauso aussehen, aber nicht giftig sind. Einige Untersuchungen wollen den flatternden Schönling wiederum der Gattung «Blauer Mond» zuordnen. Die hätte nach allen Berechnungen vor ca. 65 Millionen Jahren – also parallel zu den Dinosauriern – aussterben müssen, weil ein mysteriöser Gen-Defekt, ein Webfehler im Genom, bewirkte, daß der männliche Nachwuchs bei lebendigem Leib von Parasiten gefressen wurde. Gute Mutationen – auch «positive Selektion» genannt – merzten den Fehler aus, Forscher des University College London konnten eruieren, daß die Männchen dadurch nach geraumer Zeit gerettet waren. Eine «Hochgeschwindigkeitsevolution» hat Hypolimnas bolina , den prachtvoll weißgefleckten Falter mit den blauen Schatten, uns in seiner Schönheit erhalten.
Fichte, der
Als Prouste-Blume mißgedeutetes Zwitterwesen, changierend zwischen Koralle und Auster. Häufiges Zucken am Rande, auch ohne Zitronenbeträufelung, zeigt eine Empfindlichkeit, die als Hysteria fichteana in die Literatur einging; wie aber nur die verletzte Auster Perlen produziert, so baut sich als künstliche Paradiese der Fichte eine gelegentlich spitz-schneidende, ihrerseits verletzende, meist farbenprächtige Korallenunterwelt, die für den normalen Schwimmer nicht ungefährlich ist und bei Tauchern Lederkleidung angeraten sein läßt. Forscher in Puma wollen auch Giftabsonderungen wahrgenommen haben. Ein jüngst in Beninien abgehaltenes Symposion über den Fichte, der neuerdings vor allem in afro-asiatischen Kulturen grassiert, fand unter dem Titel «Essai sur le transvestitism animal» statt.
Franck, der
Triops-Krebs. Diese eigentlich uralte Tierart – mit geschätzten 220 Millionen Jahren zählt der Triops cancriformis zu den ältesten Lebewesen unseres Planeten – überlebt, indem sie sich in Sandböden eingräbt. Eine Chemnitzer Geobiologin will neuerdings Exemplare des besonders ruhebedürftigen Schalentieres im Müggelsee östlich von Berlin geortet haben. Sie nannte die eierlegenden Weibchen «Mittagsfrauen» und schrieb in einer Expertise: «Am besten, man läßt sie vollkommen in Ruhe, sonst sind sie hin.» Voruntersuchungen ergaben, daß das Familienleben der bereits durch kleinste Wassertemperaturschwankungen oder mangelnden Sauerstoffgehalt extrem gefährdeten Krebsart gekennzeichnet ist von Grausamkeit und Entzug jeglicher gegenseitigen Anteilnahme. Gegen solche Verlusterfahrung haben die Urzeitkrebse eine Art Rettungsanker entwickelt: Die Triops-Eier sind von einer spiegelglatten Hülle ohne jeden Riß umgeben und so hermetisch von der Umwelt abgeriegelt. Diese Versiegelung schützt vor dem Verlust von Nährflüssigkeit. Verblüffend lyrisch formulierend, nannte ein Wissenschaftler das ein «Rücken-an-Rücken»-Verfahren, mit dessen Hilfe das mit zarten Finnen und großen Augen ausgestattete Tier sein Überleben und seine millionenfache Population schützt. Im heutigen Sprachgebrauch würde man von «alleinerziehend» reden.
Frisch, der
Auf ungeklärte Weise in die Schweizer Bergwelt gelangter Großer Panda, dessen zoologischer Name Ailuropoda melanoleuca auf eine Disposition zur Melancholie schließen läßt, obwohl Beobachter ihn beim behenden Verzehr von Bambusspitzen als possierlich schildern. Der in die Schweizer Bergwälder verschlagene Riesenpanda zeichnet sich durch hohe Paarungsfrequenz aus, wobei er auf der Suche nach weiblichen Partnern theatralische akustische Signale einsetzt. Die Lautäußerungen des paarungsbereiten erwachsenen Pandamännchens geben Auskunft über seinen Hormonpegel – bei steigendem Testosteronspiegel brummt er mit zunehmend größerer Ausdauer und unterscheidet sich von Rivalen fast bühnenreif durch Modulationen des Brummtons: Bei überdurchschnittlich hohem Testosteronpegel erfolgt eine besonders dichte Folge von Frequenzmodulationen. Forscher haben darauf hingewiesen, daß das Sexualhormon bei diesem Schweizer Pandabären ähnlichen Einfluß auf das Bindegewebe – das die Stimmbänder säumt – hat wie bei Schauspielern. Übrigens nur bei männlichen, deren Bindegewebsstränge drei- bis fünfmal so steif sind wie die der Frauen. Ob weibliche Artgenossen tatsächlich auf die lautstarke Werbung hören, ist bislang nicht belegt.
Goetz, der
Der Goetz wird in der Populärwissenschaft ein Fangschreckenkrebs genannt. Die in weithin unerforschten Gewässern – etwa dem Great
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