Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)
eingeführten Manguste, die, wie der Name besagt, sich vor allem von Krabben, Krebsen, Hummern und anderen Schalentieren ernährt. Wesensmerkmal des fast immer vorangehenden Männchens ist der 30 bis 35 Zentimeter lange Schwanz, der etwa ein Drittel der gesamten Körpergröße ausmacht.
Handke, der
Zweifelsfrei zu den Kopffüßern gehörender Meeresbewohner. Unklar ist bislang, ob es sich um eine Moschuskrake handelt oder nicht doch eher um das sogenannte «Papierboot», das mit dem lateinischen Namen Argonauta Argo klassifiziert wird. In jedem Fall artverwandt dem Schiefaugenkalmar, ein bis zu Kinderhandgröße auswachsender Tiefseegaukler, von dem Wissenschaftler erst jüngst herausgefunden haben, daß er in den dunklen Welten des Ostpazifiks Licht erzeugen kann. Kopffüßer-Männchen zeigen unterschiedliches Werbeverhalten, manche präsentieren bestimmte Muster auf ihrem Körper, um Weibchen zu beeindrucken. Mit Hilfe eines umgewandelten Arms – des hectocotylus – senken die Tintenfische während der Kopulation ihr Sperma in die Mantelhöhle des Weibchens: und sterben nach der Paarung. Bei dem besonders winzigen Papierboot-Männchen bricht der Arm ab.
Härtling, die
In der Fachliteratur auch «Hoelterlin» genannt – behäbige Raupe, die wider Erwarten der Wissenschaftler sich nie zu einem Schmetterling entpuppte, sondern nach vielen Mutationen – vornehmlich in der Landschaft der Len-Au – immer nur ein Kriechtier blieb. Von pelziger Oberflächenstruktur, ernährt sie sich wesentlich von den Früchten des Faulbaums. Gilt als besonders gutmütig und gesellig. Die Härtling produziert im Unterschied zu vergleichbaren Raupenarten das ganze Jahr, und zwar einen ungewöhnlich breiten, in schönen Farben schimmernden Halbseidenfaden. Zur Besonderheit der Art gehört es, daß jeweils im Herbst, zwischen August und Oktober, die Härtling aus diesen Fäden landauf, landab kunstvolle, spinnwebartige Muster wirkt, die wie eine Handarbeit des 19. Jahrhunderts aussehen. Solche sogenannten Hoelterlin-Gewebe sind in der Vorweihnachtszeit sehr gefragt, werden zwischen meist orangefarbene lackierte Pappdeckel gepreßt und vieltausendfach verschenkt.
Hein, der
Dieser «Kleine Igeltanrek» ist eine zoologische Variante des gut erforschten «Großen Tanrek». Beide sind stachelbewehrte Igel, die von ihrem Hauptfeind – dem uniformierten Menschen – der «Selbstbespuckung» geziehen werden: weil sie ihr Stachelkleid mit Speichel pflegen, wobei sie seltsam leise singende Laute ausstoßen. Der «Große Tanrek», übrigens sehr wählerisch in seiner Nahrung, sucht nach Insekten ausschließlich am Boden, kann auch in Trockenzeiten in seinem unterirdischen Bau überleben und hat mit Widerhaken ausgestattete Stacheln, die gleichsam abgeschossen werden und sehr schmerzhaft für jeden Angreifer sind. Die zuverlässigste Publikation über ihn heißt «Landnahme».
Unserem weitaus possierlicheren «Kleinen Tanrek» wurde jüngst eine Untersuchung mit dem Titel «Weiskerns Nachlaß» gewidmet. Sie kommt zu dem Resultat, daß dieser Igel eher hoch hinauswill, d. h. über die künstlerische Fähigkeit verfügt, auf Bäume zu klettern und sich elegant von Zweig zu Zweig zu schwingen. Grannenhaare an der Schnauze verleihen ihm ein schnurrbärtiges Aussehen und ermöglichen es ihm, die anfangs widerspenstigen Weibchen zu kitzeln. Männchen meiden einander und verjagen den Rivalen durch schnarchähnliche Abwehrlaute.
Hermlin, der
Singschwan, von Anrainern auch «Posaune des Ostens» getauft. Ursprünglich in den Tundren Westsibiriens und der russischen Taiga beheimatet, ist der Singschwan in Deutschland noch immer extrem selten. Im Gegensatz zum ordinären Höckerschwan haben die hochschwebenden Segler einen zierlichen gelben Schnabel und stoßen an Posaunenklang gemahnende fremdartige Töne aus, mit denen sie Streitigkeiten untereinander austragen oder auch trompetend ihren Gegnern angst machen; Gegner sind andere Schwäne, die aggressiv bekämpft werden. Der Singschwan lobt sich gerne selber, in höchsten Tönen nach der Kopulation; in gottesfürchtigen oder anders diktatorischen Zeiten, etwa im Spreewald oder in Sachsen, wurde sein Gesang als im «Abendlicht» erklingendes Kirchengeläut untergegangener Orte gedeutet. In spätbürgerlichen Chroniken wird der Cygnus cygnus auch schlicht Gelbschnabelschwan genannt und die Variationsbreite seiner melodischen, nasalen Klänge hervorgehoben. Neuere Forschung indes hat ergeben,
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