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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
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in diesem Moment vorsichtig abzog.
    »Vater schenkte ihn mir, als ich mit dem Jurastudium begann.«
    Er drehte den Ring um, und da stand das Wort congratulations und dahinter ein e für Edward.
    Sie sahen einander mit einem Ausdruck ungläubiger Erleichterung an. Das einzigartige Buch, nach dem sie suchten, eine Handschrift, die nach Margarets Einschätzung den Wert eines ganzen Museums hatte - sicherlich eine Milliarde Pfund oder mehr -, befand sich wieder irgendwo im Château.
    »Eine gute Nachricht, bis auf die Tatsache, dass das Château riesig ist, ein Labyrinth von unzähligen Kellern, Dachböden, Geheimgängen, versteckten Wandnischen und Falltüren, ganz zu schweigen von den zigtausend Hektar unwegsamen Landes drum herum. Wahrscheinlich wimmelt es auch dort von Höhlen und Felskammern, ich meine, es ist eine Wildnis.«
    »Es muss dort sein. Das ist es, was dein Vater uns mitteilt.«
    Während Simon beobachtete, wie die Oliviers zwei Stücke einer Frucht in einen Abfallbehälter auf der Straße in der Nähe des Autohauses warfen, erreichte ihn ein Telefonanruf von Le Bon.
    »Ja, Paul?«
    »Halten Sie sich fest, Sie werden es nicht glauben.«

 
    KAPITEL 51
     
    I ch muss gestehen, dass das Ganze sich zu den interessanteren zweiundsiebzig Stunden meiner bisherigen Laufbahn entwickelt«, begann er.
    Simon hörte ihm schweigend zu.
    »Wie schnell laufen afrikanische Antilopen, wenn sie aufgeschreckt werden?«, fragte er.
    »Schnell. Vor allen Dingen Steinböckchen und Dikdiks. Genauso schnell oder schneller als Geparden, jedenfalls meistens. Was ist los?«
    »Und wie lange können sie ihre Höchstgeschwindigkeit beibehalten?«
    »Paul, offensichtlich kommt es auf die Art an. Einige schaffen das tagelang, wenn es ein großes Tier ist wie der Nyala, der Defassa-Wasserbock, der Spießbock. Ich meine, es gibt zahlreiche Arten und Rassen - Rappenantilope, Pferdeantilope, Kudu, Klippspringer, der ist eine wahre Schönheit, Oreotragus ... Was soll das Ganze?«
    »Während der letzten vier Stunden wurde offenbar ein und dasselbe Huftier an fünf verschiedenen Orten gesichtet. Die fünfte Meldung kam vor ein paar Minuten von einem französischen Verkehrspolizisten, der das Tier bei dichtem Verkehr über eine Schnellstraße wechseln und über die Betonleitplanken springen sah. Anschließend überquerte es noch ein Bahngleis, auf dem ein TGV mit über dreihundert Stundenkilometern unterwegs war und es beinahe überfuhr. Davor wurde es von einem Jäger, einigen Schulkindern, einem Reisebusfahrer und einem Mann gesehen, der in seinem Garten damit beschäftigt war, Pfirsichbäume zu beschneiden, als es an ihm vorbeisprang.«
    »Wurde von einem Zoo eine entflohene Gazelle gemeldet? Der Beschreibung nach könnte es eine sein.«
    »Sitzen Sie gerade?«
    »Eigentlich nicht. Ich laufe gerade in einem Abstand von hundert Metern hinter zwei Verdächtigen durch dichtes Menschengewimmel, aber fahren Sie bitte fort.«
    »Es hatte ein einziges Horn, Simon ... Ich weiß, ich weiß. Aber es war kein Rhinozeros.«
    »Erzählen Sie weiter.«
    »Zur ersten Sichtung kam es vor vier Stunden. Südlich von Reims in einem Wald zwischen den Autobahnen N51 und D9. Das Tier rannte wie der Wind.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Etwa anderthalb Stunden später hielt es an der Aube an, um zu trinken.«
    »Nördlich der D441.«
    »Genau. Dann, nur vierzig Minuten danach, verursachte es beinahe einen Auffahrunfall auf der Kreuzung von D444 und E511.«
    »Südlich von Troyes.«
    »Exactement.«
    Simon sah die Route auf der Landkarte vor sich. Es war erstaunlich klar, was los war. Er hielt inne, ehe er die verkehrsreiche Ringstraße überquerte. Die Oliviers hatten bereits die andere Seite erreicht, gingen in Richtung Park und befanden sich außer Sichtweite. Er hatte sie verloren. Und in diesem Moment machte es auch nicht mehr viel aus. »Paul, das sind drei Sichtungen. Was ist mit der vierten?«
    »Südwestlich von Montbard in Richtung Semur.«
    »Wie lange ist das her?
    »Fünfundvierzig Minuten.«
    »Und die fünfte Sichtung?«
    »Das Tier kreuzte die A 6 in der Nähe von Guillon.«
    Simons Gedanken summten. Das Château und der Hafen von Antwerpen lagen auf demselben Längengrad. Das Tier kehrte auf dem kürzesten Weg in seine Heimat zurück. Es rannte mit Höchsttempo wild quer durch Westeuropa wie ein nur von seinem Instinkt getriebener Hund, der seinen menschlichen Gefährten auf einer Landstraße folgt, zwischen Feldern mit Weizen, Rüben, Kartoffeln und

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