Betörende Versuchung
könnte Weiß tragen, aber dann sieht mein Teint aus wie Kleister. « Sie ließ einen wehmütigen Blick an ihrem eigenen blauen Seidenkleid herunterwandern.
»Du glitzerst wie ein Juwel«, sagte Georglana liebevoll. »Deshalb sind auch alle so hingerissen von dir.«
Arabella hielt ihr Urteil zurück. Es führte für sie sowieso kein Weg daran vorbei, in ihrer Farbenpracht aufzufallen; sie hatte durch wiederholte Versuche gelernt, dass das ein sinnloses Unterfangen war.
»Ich kenne diesen Gesichtsausdruck, Arabella. Versuch ja nicht zu diskutieren. Du bist sehr begehrt. Akzeptiere und genieße es doch einfach. «
»Du weißt genau, dass das nicht i-h bin. « Sie kam sich vor wie einer der Elefanten, auf denen sie in Indien geritten war. Bei Anlässen wie diesem hier fühlte sie sich immer unsicher und gehemmt. Ständig musste sie sich auf die Zunge beißen, um nicht zu sagen, was sie dachte. Sie hatte einfach nicht die Geduld dazu, j ede noch so kleine, überflüssige Regel der feinen Gesellschaft auswendig zu lernen, so sehr sich Tante Grace und Georgiana auch bemühten, sie ihr beizubringen.
Sie hasste diese ganze Aufmerksamkeit, die ihr in dieser Saison zuteilwurde ! Ihr ganzes Leben hatte sie damit zugebracht, dem Angestarrtwerden zu entkommen. Mittlerweile hätte sie sich an den Anblick von offen stehenden Mündern eigentlich gewöhnen sollen. Sie konnte nicht einmal sagen, was schlimmer war - so feuerrotes Haar zu haben oder die größte Frau des Königreichs zu sein (wahrscheinlich der ganzen Welt, da war sie beinahe sicher ) . Merkwürdigerweise akzeptierte die feine Gesellschaft ihre Absonderlichkeit trotzdem, aber wahrscheinlich nur, weil Tante Grace und Onkel Joseph zu den angesehensten Mitgliedern gehörten.
Sie seufzte. »Das ist doch nur so, weil ich den ersten Heiratsantrag der Saison bekommen habe. «
»Wie auch den zweiten und den dritten.« Georgiana kämpfte mit sich, um nicht in Lachen auszubrechen. »Ich könnte ja schon fast neidisch werden, aber du bist dir deines eigenen Charmes so ganz und gar nicht bewusst.«
»Georgiana ! Das alles ist überhaupt nicht lustig. Ich wünschte, ich würde nicht so einen Aufruhr verursachen. Ich hätte es mir doch denken können! Ehe ich es mich versah, redete ganz London über mich. Und im Moment kommt es mir so vor, als ob ganz London mich a ns tarrt, und all diese lächerlichen Gentlemen umkreisen mich wie die Geier. Die habe ich nämlich in Afrika gesehen, musst du wissen, und sie sind kein schöner Anblick. «
Georgiana antwortete nicht. Als sie weiter stumm blieb, schaute Arabella sie an.
»Was ist los? Was stimmt denn nicht? «
Georgiana schaute mit halb geöffneten Lippen quer durch den Ballsaal. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Arabella, er ist hier«, flüsterte sie. »Er ist hier! «
»Walter! « , seufzte Arabella. Sie war im Begriff, umgehend wieder hinter die Säule zu springen, doch Georgiana bekam sie noch am Ärmel zu fassen.
»Nein, Arabella! Er ist es, der bestaussehenste Mann von ganz England! Und er kommt in unsere Richtung ! «
Der schönste Mann von ganz … was für ein Blödsinn. In diesem Moment ertönte ein schrilles weibliches Kreischen ganz in der Nähe, gefolgt von albernem Gekicher.
Arabella reckte das Kinn und drehte sich bewusst in die andere Richtung. Wer auch immer der Kerl sein mochte, sie hatte es nicht eilig, ihn kennen zu lernen. Alle anderen weiblichen Wesen in ihrer Umgebung hingegen verwandelten sich offenbar in nervöse Schmetterlinge mit flatternden kleinen Herzen; Arabella war aber keine Idiotin, die sich bloß wegen eines Mannes so anstellte.
Georgiana stupste sie. »Arabella, sieh doch mal, er steht mit der Witwe des Herzogs von Carrington zusammen. Sie reicht ihm ihre Hand zum Kuss.«
»Georgiana, ich brauche keinen Augenzeugenbericht. Wenn ich es sehen wollte, dann würde ich bestimmt hingucken.«
»Oh, aber er ist wirklich ein toller Anblick. Ich habe ihn noch nie so nahe gesehen.«
»Mein Gott, Georgia na ! « Falls sie verärgert klang, so konnte sie es nicht ändern. »Ich dachte, du würdest dich von so einem Mann nicht so einfach beeindrucken lassen. Ohne Zweifel ist er einer der größten Wüstlinge.«
Es kam kein Widerspruch. Stattdessen sagte Georgina mit gepresster Stimme: »Arabella, er kommt hierher. «
Sie seufzte. »Ich glaube ... ja ... ja! Er kommt in deine Richtung ! «
Arabella drehte sich demonstrativ noch weiter weg. Das war genau das, was sie jetzt noch brauchte; noch
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