Betoerendes Trugbild
Sie folgte ihm zu einem der unzähligen Regale und er zog einen schmalen Band hervor. Das Buch war sehr alt und er hielt es ihr hin. „Es ist aus dem 16. Jahrhundert – der Band eines Apothekers aus Arabien über die heilsame Wirkung von Kaffee.“
Fasziniert strich Sam mit dem Finger über den Einband, bevor sie ihn aufklappte. Sie konnte die Schrift natürlich nicht lesen, bewunderte aber die Zeichnungen und Skizzen. „Ist das etwa eine Erstausgabe?“
„Ein gutes Auge, die Dame. Tatsächlich ist es sogar die einzige Ausgabe. Ich habe zugegebenermaßen eine Sammelleidenschaft für seltene und kostbare Dinge.“
Er war hinter Samantha getreten und strich ihr die Haare aus dem Nacken, dann küsste er die zarte Haut dort. Sie holte tief Luft; überlegte fieberhaft, wie sie sich aus dieser Situation heraus manövrieren sollte. Vorsichtig legte sie das Buch auf den Regalboden vor sich.
Zachary wertete das offensichtlich als Zustimmung, denn er umfasste ihre Schultern und drehte sie zu sich um. Bevor sie eine Chance hatte, zu protestieren, hatte er sie gegen das Regal gedrängt und küsste sie.
Obwohl sie nicht wusste, ob Zachary ein Mistkerl wie sein Bruder war, konnte sie nicht leugnen, dass er exzellent küssen konnte. Er hatte die Hände rechts und links neben ihrem Kopf aufgestützt und hielt sie so zwischen seinen Armen gefangen. Seine Lippen waren fordernd und er schmeckte nach Kaffee.
Sams gesunder Menschenverstand gebot ihr, sich von ihm zu lösen, aber sie war gerade zu neugierig, wo der Kuss hinführen würde – außerdem war sie mittlerweile davon überzeugt, dass er wusste, wo sich das Gemälde befand.
Den Kopf leicht schräg gelegt kam sie ihm entgegen und fuhr mit ihren Fingern über seine Brust. Er streichelte sanft ihre Schulter, die andere Hand legte sich auf ihre Hüften und brannte durch den Stoff.
Plötzlich klopfte es abrupt und noch bevor Zachary sich von ihr lösen konnte, flog die Tür auf.
„Zachary, wir haben ein Problem. Ein großes!“ Michaels Stimme schien den ganzen Raum auszufüllen und dröhnte unnatürlich laut in Sams Ohren. Mit einem Mal fühlte sie sich ertappt.
Schwer atmend löste Zack sich von ihr und sah Samantha tief in die Augen. „Hat das nicht noch Zeit?“ Er klang ungehalten und wollte sich ganz offensichtlich nicht von ihr trennen.
„Nein, hat es nicht!“ Es war mehr ein scharfes Zischen als eine Antwort und Zachary runzelte die Stirn. Langsam drehte er sich um und blickte Michael an, der nicht einmal mit der Wimper zuckte. Für einen endlosen Augenblick schwiegen die beiden Männer.
Schließlich seufzte Zachary bedauerlich und raunte Samantha zu. „Das Thema sollten wir unbedingt vertiefen.“
Zu mehr als einem schwachen Lächeln konnte sie sich nicht durchringen, dann steuerte Zachary auch schon auf die Tür zu und folgte Michael, der sich umgedreht hatte, bevor Samantha ihn hatte ansehen können. Warum fühlte sie sich so verdammt schuldig?
Sie ging zurück in die Küche, goss den Kaffee in den Abfluss und machte sich eine neue Tasse, doch zuerst spülte sie den Becher mit Wasser aus. Wenn sie heute Nacht noch etwas erreichen wollte, musste sie einen klaren Kopf behalten.
Zwei Stunden später hätte Samantha vor Wut schreien können. Weder Michael noch Zachary waren irgendwo aufzufinden – und das, während sie so dringend mit Michael reden wollte; schon allein, um zu sehen, wie wütend er wegen des Vorfalls mit Zach wirklich war.
Nur Sekunden danach schalt sie sich innerlich für diesen Gedanken. Es gab keinen Grund, weshalb sie sich Michael gegenüber schlecht fühlen sollte, sie führten weder eine Beziehung noch hatte sie ihn dazu gezwungen, mit ihr zu schlafen. Trotzdem wollte der nagenden Gedanke nicht weichen.
Wieder drehte sie eine Runde durch den Garten und musterte die Gäste in der Hoffnung, dieses Mal einen der Männer zu finden. Sie konnten doch nicht alle verschwunden sein. Selbst im Arbeitszimmer hatte sie nachgesehen, doch es war verwaist gewesen.
Plötzlich griff jemand nach ihrem Oberarm. Sie machte sich innerlich auf die nächste dumme Frage nach ihrer Verlobung mit Scott gefasst. Dieses lächerliche Gerücht schien sich auf der Party bereits herumgesprochen zu habe; Sam war an diesem Abend bereits fünfmal auf ihre überraschende Verlobung angesprochen worden. Wenn sie denjenigen fand, der es in die Welt gesetzt hatte, würde ihm ganz sicher etwas blühen!
Aber es war Scott, der da nach ihr gegriffen hatte. Neben ihm
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