Betoerendes Trugbild
stand ein Mann in den Fünfzigern, dessen Körperhaltung sie sofort davon überzeugte, dass es sich bei ihm um den Kommandanten der Kantonspolizei handeln musste.
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie konnten Carrie unmöglich gefunden haben! Dafür hatte sie viel zu viel Vorsprung gehabt – das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein!
„Samantha, das ist Kommandant Schäfer. Kommandant, Samantha Vickers.“
Ohne zu zögern ergriff Sam die dargebotene Hand und ließ den prüfenden Blick des Polizeibeamten über sich ergehen. Er hatte ein unsympathisches Wieselgesicht und wirkte durch und durch verdorben. Genau diese Art von Ausstrahlung hatten Leute, die über Leichen gingen – notfalls im wörtlichen Sinne.
„Wo ist Carrie? Haben Sie sie gefunden?“ Sam gab sich besondere Mühe, denn Polizisten hatten meist ein besseres Gefühl für Täuschungen als Privatpersonen.
„Am besten besprechen wir das drinnen. Kommen Sie, Frau Vickers.“ Der Kommandant hatte eine dröhnende, tiefe Stimme und packte Sams Ellenbogen. Eingekeilt zwischen ihm und Scott blieb ihr nichts anderes übrig, als den beiden zu folgen.
Ihr Herz schlug wie wild und die Gedanken jagten durch ihren Kopf. Doch in Panik auszubrechen würde ihr nichts nützen, solange sie nicht wusste, worum es wirklich ging. Vielleicht bevorzugte der Kommandant auch nur besonders dramatische Auftritte.
Keiner sagte etwas, bis sie schließlich im ersten Stock vor Carries Zimmer stehenblieben. Samantha sah Scott aus großen Augen an. „Scott, das Schweigen beunruhigt mich. Jetzt sag mir bitte endlich, dass Carrie nichts passiert ist.“
Für seine Verhältnisse wirkte Scott geradezu todernst, als er erwiderte: „Das kann ich leider nicht. Wir wissen nicht, wo Carrie ist.“
Innerlich jubelte Samantha erleichtert auf – doch für die Männer, die sie genau beobachteten, riss sie die Augen noch etwas weiter auf und flüsterte tonlos: „Was soll das bedeuten?“
Nun mischte der Kommandant sich ein und schob sich vor Scott. „Wir haben das Auto von Miss Greenhoff am Hafen gefunden, von ihr selbst allerdings keine Spur. Das Mobiltelefon lag ausgeschaltet im Handschuhfach und der Zündschlüssel steckte. Ein paar Jugendliche wollten gerade zu einer Spritztour aufbrechen, als meine Männer eingegriffen haben. Deswegen habe ich jetzt ein paar Fragen an Sie, Miss Vickers.“
Samantha fiel auf, dass sie tatsächlich nicht einmal gewusst hatte, wie Carrie mit Nachnamen hieß. Ihr nächster Gedanke war, dass sie ebenfalls ein paar Fragen hatte. Zum Beispiel, warum der Polizeikommandant persönlich an einem Vermisstenfall interessiert war, der streng genommen noch nicht einmal einer war. Immerhin war Carrie gerade einmal ein paar Stunden weg – sonst schaltete sich die Polizei doch frühestens nach 48 Stunden ein; vor allem, wenn es sich um volljährige Personen handelte.
„Aber sicher. Ich weiß nur nicht, wie ich Ihnen helfen soll.“
Schäfer bedeutete ihr, Carries Zimmer zu betreten. Es sah noch genauso aus, wie sie und Carrie es am Mittag verlassen hatten. „Fällt Ihnen vielleicht auf, ob etwas fehlt?“
Samantha drehte sich einmal langsam um ihre eigene Achse und zuckte dann mit den Schultern. „Tut mir leid, ich weiß es nicht. Ich war heute mittag zum ersten Mal in diesem Zimmer und muss zugeben, dass ich nicht groß darauf geachtet habe wie es hier aussieht.“
Entschuldigend lächelte sie den Kommandanten an, der sich nicht im mindesten beeindruckt zeigte – im Gegenteil, seine Augen lagen auf ihrem Gesicht und forschten darin. Sie hatten eine merkwürdig kalte Farbe; einen blassen Bernsteinton, der ihm ein gewissenloses Aussehen verlieh. Samanthas Kopfhaut begann zu prickeln, doch sie lächelte tapfer weiter.
Scott lief durch den Raum und sah sich ebenfalls um. „Mir fällt auch nichts auf, außer dem Computer vielleicht.“
Schäfer schnaubte. „Das bringt uns nicht viel. Das Handy hätten wir orten können, aber der Computer- Da müsste ich erst ein paar Telefonate führen.“
Es war an der Zeit, dass Samantha ihnen auf den Zahl fühlte. „Glauben Sie, dass Carrie entführt wurde?“
Scott und der Polizeibeamte tauschten einen bedeutungsvollen Blick, dann sagte der Kommandant: „Für solche Rückschlüsse ist es eindeutig zu früh, Miss Vickers. Wenn Sie uns nun entschuldigen würden.“
Offensichtlich warteten die Männer darauf, dass Sam sie nun alleine ließ. Irritiert trat sie den Rückzug an und beschloss, sich erst einmal in
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