Beton
ihren Mann, zur Aufgabe seiner Ingenieurslaufbahn und in ein zu ihm gar nicht passendes Geschäft gezwungen, und ihm dann auch noch, aus was für einem Grund immer, die Mallorcareise eingeredet hat. Eine fürchterliche Idee, dachte ich, Ende August nach Palma zu fahren! Die Stadt und die ganze Insel sind nur im Winter schön, aber dann schöner, als alles andere auf der Welt. Ich hatte nur zwei Stunden geschlafen und war um halbsechs Uhr aufgewacht mit diesem Gedanken: ich bin jetzt achtundvierzig Jahre alt und habe genug. Am Ende haben wir weder uns, noch sonst etwas zu rechtfertigen. Wir haben uns nicht gemacht. Und anstatt an den Mendelssohn zu gehn, was ich ja unbedingt vorgehabt hatte und wozu ich im Grunde sogar aufeinmal, wie ich um halb vier Uhr früh geglaubt hatte, die idealen Voraussetzungen gehabt hatte, dachte ich nach dem Aufwachen doch nurmehr noch an die junge Härdtl. Der Fall ließ mir keine Ruhe und ich stieg schon miteinem vielleicht auch mit einem bevorstehenden Wetterumschwung in Zusammenhang stehenden Kopfweh um dreiviertelsechs auf, weil ich mich unter gar keinen Umständen einer voraussehbaren, tatsächlich mit Sicherheit auf mich zukommenden Depression zwischen Liegenbleiben und Aufstehen aussetzen wollte. Die junge Härdtl ließ mir keine Ruhe und ich war naturgemäß an diesem Morgen überhaupt nicht imstande, mit meiner Mendelssohn-Arbeit anzufangen. Ich muß so schnell als möglich auf den Friedhof, sagte ich mir, ich weiß nicht, aus was für einem Grund aufeinmal mit einer entsetzlichen Entschiedenheit. Ich bestellte noch vor sieben Uhr ein Taxi und fuhr zum Friedhof. Dort hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, die letzte Ruhestätte des jungen Härdtl zu finden. In wenigen Minuten war ich dort. Aber zu meiner Verblüffung standen jetzt auf der betreffenden, in den Beton eingelassenen Marmortafel nicht mehr, wie vor eineinhalb Jahren noch, die Namen Isabella Fernandez und Hanspeter Härdtl , sondern, beide schon eingemeißelt in den Marmor, Anna und Hanspeter Härdtl . Ich drehte mich augenblicklich um und ging rasch zu dem neben dem Leichenkühlhaus Dienst versehenden Friedhofspförtner. Nachdem ich diesem meine Frage ganz deutlich und wie ich sehen konnte, selbst auf spanisch sehr gut verständlich machen hatte können, sagte der Portier nur mehrere Male das Wort suicidio . Ich lief zum Irrenhaus hinüber, um mir ein Taxi kommen zu lassen, was vom Friedhof aus nicht möglich gewesen war und fuhr sofort ins Hotel zurück. Ich zog die Vorhänge meines Zimmers zu, schreibt Rudolf, nahm mehrere Schlaftabletten ein und erwachte erst sechsundzwanzig Stunden später in höchster Angst.
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