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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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uns unmöglich gewesen. Wir hatten mit ihr auch nichts mehr vereinbart. Außerdem wollte sie am nächsten Tag nach München zurückfliegen. Ich sehe noch ihr Gesicht, als sie sich verabschiedete. Ich werde dieses Gesicht immer sehen. Die junge Cañellas, das gescheite Mädchen, das es inzwischen, mit vierundzwanzig!, schon zu einem Chopinkonzert in Zaragoza und zu einem in Madrid gebracht hatte, und auch schon zu einer Einladung zu den Salzburger Festspielen, schlug mir vor, in die Nähe von Inca zu fahren, um dort zu Abend zu essen. Ich erinnere mich, daß wir bis zwei Uhr früh ausgewesen sind und daß ich, was ich schon über zwanzig Jahre nicht mehr getan hatte, mit ihr tanzte. Mit diesem Bild erwachte ich in meinem Korbsessel auf der Borne und schaute zu den Fenstern der Cañellas hinüber. Sie hatten Licht und waren also zuhause. Aber heute, gleich heute, melde ich mich nicht, sagte ich mir und wer weiß, ob ich mich überhaupt melde. Ein Mensch in meinem Zustand! Ich werde sehen. Die Dämmerung war da, ich stand auf, zahlte und ging ins Hotel zurück, langsam, wie es sich für einen Kranken gehört. Auf dem Molo habe ich ein paar Fischer angesprochen. Aber nur kurz, um gleich wieder weiterzugehen. Wir sehen soviel Traurigkeit, sagte ich mir auf dem Weg ins Meliá, wenn wir sehen, sehen die Traurigkeit und die Verzweiflung der Andern, während die Andern die unsrige sehen. Sie will nach Palma ziehen, die junge Unglückliche, habe ich gedacht, um in nächster Nähe ihres toten jungen Mannes zu sein. Aber wie und von was will sie denn in Palma leben? Wenn sie, wie sie sagt, jetzt in Deutschland nicht mehr leben kann, hier kann sie es schon gar nicht. Ich brachte naturgemäß auch jetzt den Gedanken an diese junge Frau nicht mehr aus meinem Kopf und ich fragte mich, was tatsächlich die Ursache dafür gewesen sein kann, daß ich sofort auf der Borne, also schon gleich wie ich michin dem straßenseitigen Korbsessel niedergelassen hatte, wieder mit dieser Tragödie konfrontiert gewesen bin, durch was wirklich ich mich mit ihr habe konfrontieren lassen. Ich hätte alle meine Energien auf meinen Mendelssohn Bartholdy konzentrieren sollen, und der Gedanke an diese meine Arbeit war mir aufeinmal durch die Tragödie der Härdtl, die, ja, wie ich gleich wieder denken mußte, schon über eineinhalb Jahre zurückliegt, sie liegt in Wirklichkeit schon über zwei Jahre zurück, und vielleicht trifft mich jetzt diese Tragödie erst richtig, während sie von der jungen Härdtl, dem eigentlichen Opfer und ihrem Sohn möglicherweise zu diesem Zeitpunkt längst überstanden, ja, auch das wäre möglich, dachte ich folgerichtig, bereits vergessen ist, entsetzlich. Tatsächlich hatte ich selbst seit meinem letzten Palmaaufenthalt nicht mehr an die Härdtl und ihr Unglück gedacht, es war mir nie eingefallen. Jetzt aber, durch den Umstand, daß ich mich auf der Borne in dem Korbsessel niedergelassen hatte, um mich zu beruhigen und auch um mich tatsächlich auszuruhen, war es aufeinmal wieder in meinem Kopf gewesen und es bohrte und bohrte und machte mich halb verrückt. Auf dem Weg ins Hotel, zuerst hatte ich noch bei den Cañellas läuten wollen, mich dann aber doch beherrschen können und nicht geläutet, auf dem Weg ins Hotel dachte ich dann, daß ich schon drei-, viermal in Palma mit meinem Mendelssohn Bartholdy habe anfangen wollen und nie ist es mir gelungen. Nirgends ist es mir gelungen. Auch in Sizilien nicht, auch am Gardasee nicht, auch in Warschau nicht, in Lissabon nicht und nicht in Mondsee. An allen diesen Plätzen und noch vielen anderen hatte ich immer wieder versucht, meinen Mendelssohn Bartholdy anzufangen, in alle diese Orte war ich im Grunde nur wegen dieser anzufangenden Arbeit gereist und hatte mich in ihnen so lange als möglich aufgehalten, umsonst. Bei diesem Gedanken deprimierte mich naturgemäß mein Weg ins Hotel. Plötzlich war eine dicke stinkende Luft, eine niederdrückende, an einer plötzlichen Atemnot schuld, diemich in dem kleinen Park vor dem Jachtclub stehenbleiben ließ, ich mußte mich sogar auf eine der dortigen Steinbänke setzen, um mich zu beruhigen. Diese Atemnotanfälle kommen plötzlich, ich weiß nie, warum, aus was für einem momentanen Grund, dann schlucke ich zwei, drei Glyzerinpillen aus dem Glasröhrchen, das ich ununterbrochen, gleich wo, bei mir habe. Aber es dauert immerhin zwei oder drei Minuten, bis sie wirken. Wie verschlechtert hat sich doch mein Zustand gegenüber dem

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