Beton
und darüber bestehe kein Zweifel und sie könne ihn einwandfrei identifizieren, würde er sofort alles Weitere in die Wege leiten. Die junge Frau hatte ihren Bericht aufeinmal ganz ruhig vortragen können und ich hatte den Eindruck, daß sie sich gerade deshalb, weil ich sie dazu gebracht habe, ihren Bericht zu machen, beruhigt habe, dachte ich jetzt. Als ob es gestern gewesen wäre, hörte ich sie wieder sprechen. Sie sei wortlos zu ihrem Kind in den achten Stock hinaufgegangen, der Lift war wie fast immer in den billigen Hotels, ausgefallen und habe das Kind genommen und sei mit dem Kind wieder in die Halle hinuntergegangen. In der Zwischenzeit hatten sich, so sie selbst, schon so viel Neugierige angesammelt gehabt, obwohl es erst gegen sechs war. Ein Arzt sei erschienen, die Polizei, dann habe man den Leichnam ihres Mannes in einen aus Palma herbeigerufenen Leichenwagen geschoben und sei mit ihm abgefahren. Sie sei dann völligunbeteiligt an den Geschehnissen in der Halle sitzen geblieben, eine halbe Stunde unfähig wieder aufzustehen und habe ihr Kind an sich gedrückt. Dann sei sie in ihr Zimmer gegangen und habe es zwei Tage nicht mehr verlassen. Als sie am zweiten Tag gegen mittag in die Halle hinuntergegangen war, habe man ihr gesagt, daß ihr Mann auf dem Friedhof in Palma bestattet worden sei, und man habe ihr einen Zettel mit der Nummer der Bestattungsstelle in die Hand gedrückt. Das sei alles gewesen. Sie sei mit dem Taxi auf den Friedhof gefahren und habe, nur nach stundenlanger verzweifelter Suche, so sie, die Grabstätte gefunden. Es sei fürchterlich heiß gewesen und sie habe nur einen Wunsch gehabt, augenblicklich zu sterben. Aber dieser Wunsch ist ihr naturgemäß nicht erfüllt worden. Zu ihrem Entsetzen hatte man ihren Mann aber nicht einmal für sich allein bestattet, sondern seinen Leichnam zum Leichnam einer eine Woche vorher verstorbenen Isabella Fernandez , die in einem der sieben Etagen hohen überirdischen Betonbestattungskästen, wie sie in den südlichen Ländern aus Platzmangel notwendig und üblich sind, dazugeschoben. So stand sie mit ihrem Kind schon zwei Tage nach dem Tod ihres Mannes, der, niemand wisse, aus welchem Grunde und wie vom Balkon des Hotel Paris in die Tiefe gestürzt war, vor einer längst zubetonierten Grabstätte, auf welcher nicht einmal sein Name verzeichnet gewesen war, nur der Name einer ihr vollkommen fremden, zweiundsiebzigjährigen Frau und die auf die gelbliche Marmortafel aufgepickte Nummer, die die Nummer ihres Mannes gewesen war. Auch diesen Bericht hatte die junge Frau, die sich inzwischen einen zweiten Kaffee hatte kommen lassen, ganz ruhig gegeben. Dann war sie plötzlich aufgestanden und hatte gesagt, daß sie eigentlich im Begriffe gewesen war, auf den Friedhof zu gehen, wie jeden Tag, sie sei jetzt sieben Tage in Palma und gehe jeden Tag auf den Friedhof, in welchem sie sich jetzt schon ganz gut auskenne. Am liebsten würde sie hier in Palma bleiben, in Deutschland wäre sienur noch unglücklich. Zweimal sei sie in der Zwischenzeit schon in Palma gewesen wegen der auf sie zugekommenen juristischen Seite dieser traurigen Angelegenheit. Zuerst hatte sie geglaubt, sich auf das deutsche Konsulat verlassen zu können, aber dieses Konsulat hatte sie völlig im Stich gelassen, es hatte es schließlich als Zumutung empfunden, von der Anna Härdtl belästigt zu werden und die junge Frau hatte es aufgegeben, sich weiterhin an das Konsulat zu wenden, so war sie aber in die Hände eines gerissenen palmanesischen Advokaten gefallen, der zwar alles erledigte, aber der sie nicht nur ihr ganzes Vermögen, sondern darüber hinaus auch noch einen hohen, bei einer Münchner Bank aufgenommenen Kredit gekostet habe. Das Merkwürdigste der ganzen Angelegenheit war aber gewesen, daß man von seiten der Polizei die Anna Härdtl in diesem Fall überhaupt nicht einvernommen hatte, niemals habe sie mit irgendeinem Menschen von der Polizei gesprochen, nur die Rechnung der Bestattungsfirma sei ihr zugeschickt worden. Viel später hatte mir die Cañellastochter gesagt, daß sie einen Augenblick geglaubt habe, es hätte sich ja auch um Mord handeln können, wenn dieser Gedanke auch als vollkommen absurd erschienen ist und dann auch von uns nicht mehr gedacht worden war. Tatsache war aber, daß die Balkongitter im Hotel Paris in Santa Ponsa nur siebzig Zentimeter hoch sind und tatsächlich auch nach spanischem Gesetz verboten und allein die Wahrscheinlichkeit die größte ist,
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