Bettys Horrortrip
jetzt besser erkennen, was daraus hervordrang.
Eine dünne, gelblichbraune Masse. Etwas, das es früher in ihrem Körper nicht gegeben hatte und sich erst nach diesen Berührungen hatte bilden können.
Eine Masse, die sich bewegte.
Würmer.
Kleine Spulwürmer drangen aus den Wunden, wie bei einem Toten, der schon lange im Grab gelegen hatte…
***
Grauenhafte und angsteinflößende Anblicke war ich gewöhnt. Was ich hier allerdings sah, gehörte zum Schlimmsten überhaupt. Es war einfach scheußlich, denn hier hatte die Totenwelt zurückgeschlagen und einen lebendigen Menschen erwischt.
Betty van Steen hatte recht behalten. Die Schatten waren erschienen, um den Keim der Verwesung, des Verfalls und des Todes zu legen. Eine furchtbare Rache. Ich zweifelte plötzlich daran, ob es mir gelang, Betty mit dem Kreuz zu retten. Ich war nur einmal berührt worden, sie aber hatte mehrere Horrortrips hinter sich, und ihr Körper war sicherlich voller Spulwürmer.
Aufgeben wollte ich trotzdem nicht. Es war nicht meine Art. Was immer in meiner Hand lag, ich mußte es versuchen.
Als ich aufstehen wollte, hörte ich das Geräusch.
Es waren Tritte, die im Flur aufklangen und sich der Tür des Wohnraums näherten. Diese Geräusche hielten mich von meinem Vorhaben ab. Ich vergaß Betty in den folgenden Sekunden, denn jemand erschien in der offenen Tür. Es war eine Frau.
Ich kannte sie.
Als Imelda hatte sie sich vorgestellt. Sie blieb auf der Schwelle stehen und schwenkte lächelnd den Zweitschlüssel zur Wohnung.
Jetzt wußte ich, wer die geheimnisvolle Göttin war!
***
Es war ein Schock für mich, das mußte ich zugeben. Betty hatte Imelda noch nicht gesehen, da sie sich in ihrem Rücken aufhielt. Sie trug noch immer dieselbe Kleidung, allerdings hatte sie ihre Jacke ausgezogen.
Das T-Shirt spannte sich eng um ihren Körper. Auf der Vorderseite des grauen Stoffs war ein Totenschädel mit weit aufgerissenem Maul abgebildet, in dem soeben die Sonne verschwand. Ein Symbol dafür, daß die Finsternis das Licht schluckte. Für Betty hatte die Person keinen Blick. Sie lächelte mich weiterhin an, und dieses Lächeln gefiel mir nicht.
Es war so triumphierend und siegessicher, einfach widerlich, wobei ein dunkler Glanz in ihren Augen zu lesen war, als hätte ihn die Hölle geschickt. Sie ließ den Schlüssel verschwinden, spitzte den breiten Mund, dessen Lippen mit einem violetten Stift nachgezogen worden waren und flüsterte mir ein »Hallo, Nachbar« zu.
Deutlich hatte ich den Spott aus ihren Worten hervorgehört, aber das beachtete ich nicht. Ich konzentrierte mich augenblicklich auf ihr wahres Leben und sagte: »Sie also stecken dahinter!«
»Ja, ich.« Ihre beiden Worte klangen zufrieden. So wie sie drückte sich nur eine Siegerin aus, die genau wußte, daß alles für sie gelaufen war.
»Die Führerin der Nekro Church…«
»Auch.«
»Und was noch?«
»Die Göttin auf Erden.«
»Sie?« höhnte ich.
»Ja, ich. Ich bin nicht die eigentliche Totengöttin unseres Kultes, ich bin ihre Vertreterin. Unsere Kirche ist alt, sogar sehr alt. In den früheren Jahrhunderten ist sie auf den Westindischen Inseln entstanden. Da wollten sich die Farbigen gegen die weißen Unterdrücker wehren. Mit Gewalt war es nicht zu schaffen, denn die Eroberer besaßen die besseren Waffen. Also mußten wir uns etwas einfallen lassen und dachten dabei an die Kraft der Magie. An die uralten Kräfte, die unsere Vorfahren und Ahnherren kannten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, auch die Geheimnisse der Totengöttin Sambala.«
»So heißt sie.«
»Und ich bin ihre Erbin. Sie herrschte in ihrer Schattenwelt. Sie raubte die Seelen der Toten, und sie sorgte dafür, daß diese wieder in die normale Welt zurückkehren konnten. Aber sie brachten das Erbe der Totenwelt mit. Den Fluch der körperlichen Verwesung, den des Zerfalls, denn der Körper eines Menschen wird zu Staub. Zuvor aber kommen die Würmer, die Käfer und fressen ihn. Auch sie waren unter den Einfluß der Schatten geraten und konnten sich ihm nicht entziehen. Käfer und Würmer gehorchten den finsteren Kräften, die es dank ihrer Magie schafften, die Geister zu besprechen, damit sie ihr gehorchten. Sie führte sie, sie ließ sie auf die Menschheit los, und ich bin die legitime Erbin der uralten Göttin. Ich habe sie studiert, ich habe ihre Kräfte übernommen, und ich habe die Nekro Church, die Kirche der Toten, gegründet. Ich gab den Menschen Hoffnung, denn ich
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