Beute
sind so distanziert. Ich mag diese Spannung zwischen uns nicht. Komm, wir küssen uns und vertragen uns wieder.«
»Vielleicht später«, sagte ich. »Wir haben noch viel zu tun.«
Sie gab sich verspielt, machte einen Kussmund, küsste in die Luft. »Oooch, komm schon, Schatz, nur ein kleines Küsschen … bitte, bitte, davon stirbst du schon nicht …«
»Später«, sagte ich.
Sie seufzte und gab auf. Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann sagte sie mit ernster Stimme: »Du weichst mir aus, Jack. Und ich will wissen, warum.«
Ich antwortete nicht, stieß nur einen geduldigen Seufzer aus und ging weiter, tat so, als hätte sie darauf keine Antwort verdient. In Wirklichkeit war ich zutiefst verstört.
Ich konnte mich nicht auf Dauer weigern, sie zu küssen. Früher oder später würde sie sich denken können, was ich wusste. Vielleicht jetzt schon. Denn auch wenn Julia sich kleinmädchenhaft gab, kam sie mir aufmerksamer und wachsamer vor denn je. Ich hatte das Gefühl, dass ihr nichts entging.
Und ich hatte das gleiche Gefühl bei Ricky. Sie kamen mir beide wie auf Hochtouren vor, hyperwach.
Und was ich auf Maes Monitor gesehen hatte, war verstörend. Die schwarze Wolke, die offenbar aus Julias Mund gekommen war. War sie wirklich da gewesen, auf dem Video? Denn soweit ich wusste, töteten die Schwärme ihre Beute auf der Stelle. Sie waren gnadenlos. Und jetzt schien Julia einen Schwarm in sich zu haben. Wie war das möglich? War sie irgendwie immun? Oder tolerierte der Schwarm sie und brachte sie aus irgendeinem Grund nicht um? Und was war mit Ricky und Vince? Waren sie auch immun?
Eines stand fest: Julia und Ricky wollten nicht, dass wir ir-gendwen anriefen. Sie hatten uns absichtlich in der Wüste von der Außenwelt abgeschnitten, und sie wussten, dass nur noch wenige Stunden blieben, bis der Hubschrauber kam. Also genügte ihnen dieser Zeitraum offenbar. Um was zu tun? Uns umzubringen? Oder bloß, um uns zu infizieren? Was?
Während ich so mit meiner Frau den Korridor hinunterging, hatte ich das Gefühl, neben einer Fremden herzugehen. Neben jemandem, den ich nicht mehr kannte. Jemand, der ungeheuer gefährlich war.
Ich sah auf die Uhr. Keine zwei Stunden mehr, bis der Hubschrauber kam.
Julia lächelte. »Hast du einen Termin?«
»Nein. Ich hab nur gedacht, es ist Zeit fürs Frühstück.«
»Jack«, sagte sie. »Warum bist du nicht ehrlich zu mir?«
»Ich bin ehrlich …«
»Nein. Du hast dich gefragt, wie lange es noch dauert, bis der Hubschrauber kommt.«
Ich zuckte die Achseln.
»Zwei Stunden«, sagte sie. Und sie fügte hinzu: »Ich wette, du kannst es kaum erwarten, hier wegzukommen, was?«
»Ja«, sagte ich. »Aber ich gehe erst, wenn alles erledigt ist.«
»Wieso? Was gibt’s denn noch zu erledigen?«
Inzwischen waren wir im Wohntrakt. Es roch nach brutzelndem Schinken mit Eiern. Ricky kam um die Ecke. Er lächelte herzlich, als er mich sah. »He, Jack. Wie hast du geschlafen?«
»Ganz gut.«
»Ehrlich? Du siehst aber ein bisschen müde aus.«
»Ich hab schlecht geträumt«, sagte ich.
»Ach ja? Schlecht geträumt? Schade.«
»Kommt vor«, sagte ich.
Wir gingen alle in die Küche. Bobby machte das Frühstück. »Zum Schinken wird Rührei mit Schnittlauch und Käse gereicht«, sagte er fröhlich. »Was für Brot wollt ihr?«
Julia wollte Weizentoast, Ricky Muffins. Ich sagte, ich wolle gar nichts. Ich blickte Ricky an, registrierte erneut, wie kräftig er aussah. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich die Muskeln deutlich ab. Er merkte, dass ich ihn anstarrte. »Stimmt was nicht?«
»Nein. Ich bewundere nur deinen Traumkörper.« Ich versuchte, mich locker zu geben, aber in Wahrheit fühlte ich mich in der Küche mit all den anderen um mich herum unglaublich unwohl. Ich musste dauernd an Charley denken und daran, wie schnell sie ihn angegriffen hatten. Ich war nicht hungrig, ich wollte nur raus hier. Aber ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte, ohne Verdacht zu erregen.
Julia ging zum Kühlschrank, öffnete ihn. Der Champagner stand noch drin. »Habt ihr jetzt Lust auf ein Gläschen?«
»Klar«, sagte Bobby. »Klingt toll, ein kleiner Muntermacher am Morgen …«
»Kommt nicht infrage«, sagte ich. »Julia, ich erwarte, dass du unsere Lage ernst nimmst. Wir sind noch lange nicht aus dem Schneider. Wir müssen die Armee verständigen, und wir können nicht telefonieren. Weiß Gott nicht der richtige Zeitpunkt für Champagner.«
Sie machte einen
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