Beute
abzufangen.
Vince krachte in mich hinein.
Das Röhrchen flog mir aus der Hand, zersplitterte auf dem Gitterrost. Der Kanister wurde mir aus der anderen Hand geschlagen, rollte über den Laufsteg und blieb genau am Rand liegen. Ein paar Zentimeter mehr, und er würde hinunterfallen. Ich bewegte mich auf ihn zu.
Noch immer durch die Plane geschützt, krachte Vince wieder in mich hinein. Ich wurde zurück gegen das Rohr geschleudert. Mein Kopf knallte gegen Stahl. Ich rutschte auf der braunen Brühe aus, die jetzt durch die Maschen des Gitterrostes tropfte, konnte gerade noch das Gleichgewicht halten. Vince warf sich wieder gegen mich.
In seiner Panik merkte er gar nicht, dass ich meine Waffe verloren hatte. Oder vielleicht konnte er es durch die Plane nicht sehen. Er warf sich einfach immer weiter mit dem ganzen Körper gegen mich, und schließlich rutschte ich wieder auf der Brühe aus und fiel auf die Knie. Sogleich kroch ich auf den Kanister zu, der rund drei Meter entfernt lag. Das sonderbare
Verhalten ließ Vince einen Augenblick stutzen; er zog sich die Plane vom Gesicht, sah den Kanister und hechtete darauf zu, katapultierte seinen ganzen Körper nach vorn durch die Luft.
Aber er kam zu spät. Ich hatte den Kanister schon in der Hand und riss ihn just in dem Moment weg, als Vince landete, mit der Plane, genau an der Stelle, wo der Kanister gelegen hatte. Sein Kopf schlug fest auf der Kante des Laufstegs auf. Er war kurz benommen, schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen.
Und ich packte die Plane am Rand und riss sie mit aller Kraft hoch.
Vince schrie und rollte über den Rand.
Ich sah, wie er auf dem Boden aufschlug. Sein Körper rührte sich nicht mehr. Dann löste sich der Schwarm von ihm, schwebte in die Luft wie ein Geist. Der Geist gesellte sich zu Ricky und Julia, die zu mir hochschauten. Dann drehten sie sich um und eilten durch die Werkshalle davon, sprangen im Laufen über die Krakenarme. Es war ihnen anzusehen, dass sie es sehr eilig hatten. Man hätte sogar meinen können, sie hätten Angst.
Gut, dachte ich.
Ich rappelte mich hoch und ging zu den Sprinklertanks. Die Bedienungsanleitung stand auf dem unteren Tank. Die Ventile waren leicht zu unterscheiden. Ich drehte den Zufluss auf, schraubte den Einfülldeckel ab, wartete, bis der Druck des Stickstoffs zischend entwichen war, und schüttete dann den Inhalt des Phagen-Kanisters hinein. Ich hörte, wie er in den Tank gluckerte. Dann schraubte ich den Deckel zu, drehte das Stickstoffventil wieder auf, um das System erneut unter Druck zu setzen.
Und fertig war ich.
Ich holte tief Luft.
Ich würde doch noch gewinnen.
Ich fuhr mit dem Aufzug nach unten und fühlte mich zum ersten Mal an dem Tag gut.
7. Tag, 8.12 Uhr
Sie standen alle zusammengedrängt auf der anderen Seite der Halle - Julia, Ricky und jetzt auch Bobby. Auch Vince war da, etwas im Hintergrund. Doch ich konnte ab und zu durch ihn hindurchsehen, denn sein Schwarm war leicht transparent. Ich fragte mich, wer von den anderen jetzt auch nur noch ein Schwarm war. Das war nicht eindeutig zu sagen. Aber es spielte ohnehin keine Rolle mehr.
Sie standen vor einer Reihe Computermonitore, auf denen jeder Parameter des Herstellungsprozesses zu erkennen war: Temperaturkurven, Produktionsmengen, Gott weiß was sonst noch alles. Aber sie hatten den Monitoren den Rücken zugedreht. Sie sahen mich an.
Ich ging ruhig auf sie zu, gemessenen Schritts. Ich hatte keine Eile. Im Gegenteil. Es dauerte bestimmt zwei volle Minuten, bis ich die Halle durchquert hatte und bei ihnen war. Sie betrachteten mich zunächst verwundert und dann mit zunehmend unverhohlener Belustigung.
»Na, Jack«, sagte Julia schließlich. »Wie läuft’s denn heute so bei dir?«
»Nicht schlecht«, erwiderte ich. »Es geht bergauf.«
»Du wirkst ja sehr zuversichtlich.«
Ich zuckte die Achseln.
»Hast du alles unter Kontrolle?«, fragte Julia.
Ich zuckte wieder die Achseln.
»Übrigens, wo ist Mae?«
»Ich weiß nicht. Wieso?«
»Bobby hat sie gesucht. Er kann sie nirgends finden.«
»Ich hab keine Ahnung«, sagte ich. »Wieso habt ihr sie gesucht?«
»Wir dachten, wir sollten alle zusammen sein«, sagte Julia, »wenn wir die Sache hier zu Ende bringen.«
»Aha«, sagte ich. »Und das passiert jetzt? Das große Finale?«
Sie nickte bedächtig. »Ja, Jack. Ganz genau.«
Ich konnte es nicht riskieren, auf meine Uhr zu blicken, ich musste einfach schätzen, wie viel Zeit vergangen war. Ich
Weitere Kostenlose Bücher