Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
Keine Rose ohne Dornen
Für Johnny und Melinda Rose ist ihre Tochter Aria ein wahrhaft dorniges Exemplar. Denn sie ist mit dem Mystiker Hunter Brooks liiert, dem Sohn der kürzlich verstorbenen Bürgermeisterkandidatin Violet Brooks, die in New York gegen den ebenfalls verstorbenen Garland Foster hätte antreten sollen.
Die Roses sind immer für eine Überraschung gut. Im Sommer hatten sie mit einer sensationellen Ankündigung Schlagzeilen gemacht: Die siebzehnjährige Aria sollte Thomas Foster heiraten, Sohn von George und Erica Foster und jüngerer Bruder von Garland. Die politische Feindschaft zwischen den Familien Rose und Foster reicht über Generationen zurück. Eine Eheschließung zwischen Aria und Thomas hätte noch vor den Wahlen im August eine Versöhnung ermöglicht.
Zwar sprach Violet Brooks, registrierte Mystikerin, für die Benachteiligten der Stadt, ganz gleich ob Mystiker oder Nichtmystiker. Aber dennoch galt Garland Foster als klarer Favorit für das Amt des Bürgermeisters.
Nach der Zerstörung geheimer Rebellenstützpunkte in den alten U-Bahnhöfen und dem Tod beider Kandidaten wurde die Bürgermeisterwahl ausgesetzt und die Hochzeit von Aria Rose und Thomas Foster abgeblasen. Hunter Brooks setzte sich an die Spitze der Rebellen in der Tiefe. Eine Koalition aus Roses und Fosters führt seitdem die Nichtmystiker in den Horsten an.
Eine große Überraschung war der spektakuläre Seitenwechsel von Aria Rose. Sie erklärte öffentlich ihre Liebe zu Hunter Brooks und unterstützt nun die Mystiker.
Da die Moral in New York ihren absoluten Tiefpunkt erreicht hat, würde es kaum jemanden erstaunen, wenn noch mehr Horstbewohner die Seiten wechselten. Und es steht zu befürchten, dass sich die Stadt vom verheerendsten Krieg ihrer Geschichte nie mehr vollständig erholen wird.
Mit großer Spannung wartet nun ganz Manhattan darauf, was Aria Rose als Nächstes tun wird …
Aus dem Manhattan View , einer Society-E-Kolumne für die Horste, 19. September
1
»Blocken!«, kommandiert Shannon.
Sie steht vor mir und hält den langen Kendostock seitlich neben sich. Im nächsten Moment hebt sie ihn und schlägt nach meinem Kopf.
Ich reiße meinen Ellbogen hoch, aber sie ist zu schnell. Ich sehe etwas Buntes durch die Luft zischen, und im nächsten Augenblick liege ich auf dem Boden und blinzle mit dröhnendem Schädel in die grelle Sonne.
Wenigstens ist das Gras weich. Einigermaßen zumindest.
»Hoch mit dir!« Shannon beugt sich über mich. »Mann, hast du denn noch nie richtig gekämpft?«
»Nein, noch nie«, antworte ich und reibe mir die Schläfe. Wenigstens blute ich nicht. Bis vor wenigen Wochen beschränkten sich meine sportlichen Aktivitäten auf eine gelegentliche Partie Squash in der Sporthalle der Florence Academy. Und wenn in den Horsten ein Debütantinnenball stattfand, habe ich natürlich mitgetanzt.
»Ach ja?«, erwidert Shannon und pikt mich mit ihrem Stock. »Ich kann mich erinnern, dass du beim großen Gefecht in den alten U-Bahn-Schächten dabei warst. Allerdings bist du danach im Krankenhaus gelandet. Also hast du dich wohl nicht sonderlich gut geschlagen.«
Ihre Worte treffen mich nicht, denn ihr ironischer Tonfall verrät mir, dass sie mich nur zum Kampf reizen will. Das ist Teil des Trainings. Meine Erinnerungen an jene verhängnisvolle Nacht sind verschwommen: Gefolgsleute meiner Eltern überfielen ein Untergrundversteck der Mystiker. Die wiederum antworteten mit einer gewaltigen Demonstration ihrer Kräfte. Am Ende war Violet Brooks tot und ich lag verletzt im Krankenhaus.
Shannon pikt mich erneut. »Was machst du, wenn du angegriffen wirst und zu Boden gehst? Liegen bleiben? Los, steh auf und wehr dich!«
Stöhnend setze ich mich auf. Wir trainieren auf freiem Gelände. In einiger Entfernung drängen sich Bäume aneinander, die kahlen Äste gen Himmel gereckt. Hier, nördlich von New York, war einmal bestes Ackerland. Doch in der drückenden Hitze ist das Gras verdorrt. Dieser Ort hat so gar nichts gemeinsam mit meinem Zuhause, den glänzenden Wolkenkratzern von Manhattan.
Vor zwei Wochen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Seitdem hatte ich keine Verschnaufpause mehr. Shannon drillt mich jeden Tag. In ihren Augen bin ich eine lausige Schülerin.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und trockne die Hände an meinem Sporttrikot aus schwarzem Stretch, der angeblich Wärme reflektiert. Von wegen. Ich zerfließe in der Hitze.
»Pass auf.« Shannon lässt den
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