Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
Prolog
Irgendwann um die Jahrtausendwende, in der bedeutenden Festspielstadt Salzburg, an einem herrlich warmen Sommertag:
Für Amelie Parker war es immer schon leicht, Freunde zu gewinnen. Sie hatte ein sonniges, naives Gemüt, war jung und bestach durch ihre ungekünstelte Anmut. Sie war von schlanker Statur und ihr zartes Wesen setzte sich auch in ihren Gesichtszügen fort. Sie hatte sich allerdings nie für hübsch gehalten. Die Nase schien ihr zu breit, die Stirn zu hoch, die Wangenknochen viel zu ausgeprägt und ihr Haar viel zu dünn, um einer Frisur dauerhaften Halt bieten zu können. Aber ihre Umwelt, allen voran ihre Freunde, belehrten sie oftmals eines Besseren und sie war höflich genug, um mit ihnen nicht darüber zu debattieren. Die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung erregte aber nicht die liebliche Erscheinung, sondern stets ihre tiefgründigen, jadegrünen Augen, die unwiderruflich den Blick eines Juwels widerspiegelten und die markant von dichten Wimpern und sanft geschwungenen Brauen eingerahmt wurden. Amelies Auftreten hatte zuweilen dennoch einen Hauch von Unsicherheit, die Menschen, die sie nicht näher kannten, oft leichtfertig mit Arroganz verwechselten.
Auch wenn sie mit dem einen oder anderen Pluspunkt gesegnet war, wahre Schönheit – und davon war sie überzeugt – kam immer von innen. Und was konnte eine junge Dame schöner erstrahlen lassen, als die erste große Liebe. Ja, sie war bis über beide Ohren verliebt. Sie hätte in diesen unbekümmerten Monaten pausenlos die ganze Welt umarmen können, wenn sie an das schicke, wohlige Haus in Anif, einem der angesagtesten Stadtteile Salzburgs, und an Marcel dachte.
Demnach hatte sie es für perfekt erachtet, am Freitagnachmittag etwas früher von der Arbeit nach Hause zu fahren. Mit den massigen Wochenendbesorgungen war sie schließlich vor der verschlossenen Tür zu Marcels Domizil, ihrem gemeinsamen Heim, gestanden. In freudiger Erwartung hatte sie sich ums Haus geschlichen, war akkurat getrimmten Kirschlorbeerhecken und der Rasensprenkelanlage ausgewichen, nur um auf der teuer arrangierten Feng-Shui-Terrasse einen leeren Liegestuhl vorzufinden. Kurzzeitig hatte sie sich zwar gefragt, warum am frühen Nachmittag die Vorhänge des Wohnzimmers zugezogen waren, aber genauso schnell hatte sie diesbezüglich jeden weiteren Gedanken als nichtig abgetan.
Zumindest, bis sie auf den Livemitschnitt einer außerplanmäßigen Sportstunde ihres Freundes in der Horizontalen mit einer schlanken, langbeinigen und, wie sie betroffen feststellen musste, überaus durchtrainierten Blondine gestoßen war. Die beiden hatten es sich auf dem cremefarbenen Relax-Massage-Sessel, den Amelie in einem Inneneinrichtungsstudio am Kranzlmarkt in der Nähe des Rathauses entdeckt hatte, gemütlich gemacht. Anscheinend hatte die Leidenschaft die beiden überkommen, denn die Frau trug um ihre Taille noch immer ihren Sport-BH, während ihr Tennisrock bequem hochgerafft worden war. Marcels’ Shorts schlackerten hingegen gelassen an seinen Fußknöcheln und sein Adidas T-Shirt lag zusammen mit einem knappen pinken Oberteil unbekümmert auf dem Parkettfußboden. Unterdessen spornten Marcels’ Hände auffordernd den knackigen Hintern der Blondine zu mehr Schnelligkeit an und sein Gesicht verlor sich zwischen ihren üppigen Brüsten.
So war es gekommen, dass Amelie Parker völlig perplex auf der sonnigen Feng-Shui-Terrasse, die in der Sekunde jeglichen Liebreiz verloren hatte, ausgeharrt hatte. Die Zeit war unaufhaltsam verstrichen. Sie hatte das Gefühl als wären Stunden vergangen, in denen sie zu keiner Reaktion fähig gewesen war. Der plötzliche Schmerz, das Stechen in der Brust, die auftretende Atemlosigkeit, das hatte sie getroffen. Sie hatte dabei gedankenverloren die weinroten Crash-Taft-Gardinen, die sie mit Marcel gemeinsam in einer exklusiven Boutique in der Getreidegasse ausgesucht hatte, betrachtet. Die beiden bestickten Seitenteile waren äußerst sorglos zugezogen worden, sodass jeder, der unmittelbar auf der Terrasse stand und ins Innere des Hauses schielte, ohne weiters alle sinnlichen Bewegungen des Aktes hautnah miterleben konnte.
Der bittere Trancezustand hatte einen kurzen Augenblick angehalten. Danach hatte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, war den Weg zum Vorgarten retour gestolpert und hatte sich zu ihrem auf der Seitenstraße geparkten Auto aufgemacht.
An diesem Tag war Amelie Parker aus ihrem besonnten, jugendlichen Lebensabschnitt in eine lang
Weitere Kostenlose Bücher